Kommt jetzt der Digitalisierungsschub?

Mit der webbasierten Plattform Travelboo hilft Nathalie Sassine kleineren Reisebüros bei der Digitalisierung.
©Travelboo

Um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, hat der Bundesrat beschlossen, alle Läden und Restaurants dicht zu machen. Für die Reisebranche bedeutet dies: Alle stationären Verkaufsstellen müssen vorübergehend schliessen. Bei den meisten Betrieben geht die Arbeit im Backoffice weiter.

Nathalie Sassine, Gründerin und Geschäftsführerin von Webook.ch, setzt bereits seit sechs Jahren ausschliesslich auf die neue digitale Welt ohne Ladenlokal. Ein Reisebüro ohne Verkaufsfläche schien zu Beginn undenkbar. «Die Leute haben mich für verrückt gehalten.» Ihre Mitarbeitenden arbeiten in der gesamten Schweiz im Home Office oder – in Coronavirus-freien Zeiten – auch mal vom Strand oder vom Park aus. Obwohl ein Online-Reisebüro legt die Inhaberin grossen Wert auf die persönliche Beratung der Kunden: «Wir verfügen über kein Ladengeschäft, stehen aber mit unseren Kunden dennoch laufend in Kontakt.» Bei Unvorhergesehenem, wie es die Branche in den letzten Monaten erlebt hat, leisten sie und ihre 13 Teilzeit-Mitarbeitenden schnell und unbürokratisch Hilfestellung.

Nathalie Sassine, Geschäftsführerin Webook
Travelboo seit einer Woche online

Nun geht die Digitalisierungs-Vorreiterin noch einen Schritt weiter: Zusammen mit ihrem neuen Team hat sie die browserbasierte Plattform Travelboo entwickelt, die wie ein digitaler Marktplatz funktioniert und den angeschlossenen Reisebüros sowohl als Kundendatenbank als auch als Tool für Offert-, Rechnungs- und Reiseprogrammerstellung dient (TRAVEL INSIDE berichtete). Seit einer Woche läuft die Pilotphase mit zwölf Partnerreisebüros – und trotz der Krise sind auch bereits die ersten Anfragen reingeflattert. Die Plattform fragt nämlich anhand des «Needfinder» die Wünsche des Kunden ab, die dann an drei Partner-Reisebüros verschickt werden. In eine Art Pitch-Prinzip haben die angefragten Reisebüros 48 Stunden Zeit, um dem potenziellen Kunden eine Offerte zu unterbreiten oder zumindest Kontakt zu ihm aufzunehmen – je nach Komplexität der Anfrage. Besonders überzeugend finden die angeschlossenen Büros laut Aussagen von Sassine die Möglichkeit, Neukunden zu gewinnen sowie das integrierte Backoffice-Tool, das die Arbeitsabläufe stark vereinfacht. Dieses soll voraussichtlich im kommenden Sommer aufgeschaltet werden (siehe Bild).

Doch wie kam es dazu, dass Nathalie Sassine und ihr Travelboo-Team so handfest Unterstützung bieten bei der Digitalisierung kleiner Reisebüros? Die Mutter von zwei Teenagern war fast zwanzig Jahre in der Marketing- und Medienbranche tätig. Als sie in die Reisebranche zurückkehrte, war sie erschüttert, wie wenig sich in Sachen Digitalisierung in den Büros getan hatte. «Die Programme sahen alle immer noch genau gleich aus.» Sie habe lange nach dem richtigen Tool gesucht – erfolglos. Da hat die umtriebige Selfmade-Woman beschlossen, ihr Wunsch-Tool selber zu entwickeln und anderen zur Verfügung zu stellen. In der Testphase ist die Nutzung noch gratis, später wird eine kleine Gebühr erhoben. Und, in diesen Tagen gerade besonders wichtig: Auf Travelboo können die Reisebüros von überall her zugreifen, wo es eine Internetverbindung gibt. «In der momentanen Situation, in der die Gesellschaft so stark in ihrer Mobilität eingeschränkt wird, zeigt sich erst recht, wie wichtig Digitalisierung ist», sagt Nathalie Sassine. Sie ist überzeugt, dass die veränderten Arbeitsbedingungen, die diese Krise hervorruft, die Digitalisierung vorantreiben wird. (ET)

Mehr Infos für die Reisebüros finden sich hier.