SRV-GV: «Reiseprofi – mehr als nur ein Job»

Barbara Rigassi befragt Nicole Pfammatter, Silvia Cornel, Dominic Eckert und ehemalige Young Talents zum Thema «Fachkräftemangel».
Dr. Barbara Rigassi, BHP Brugger & Partner, zum Thema "Fachkräftemangel" an der SRV-GV in Sevilla.

Mit drei Workshops hat der SRV am Nachmittag nach seiner Generalversammlung drei aktuelle Themen aufgenommen.

Nach den Referaten «Klimabewusst reisen» und «WEB 3.0. als Chance» machte Frau Dr. Barbara Rigassi, BHP – Brugger und Partner, mit einer Podiumsdiskussion mit Nicole Pfammatter, CEO Hotelplan Suisse, Silvia Cornel, Cornels Reisebar, Dominic Eckert, Dreamtime Travel und ehemaligen Young Talents zum Thema «Fachkräftemangel» den Abschluss des Fachtagungs-Nachmittag.

Zirka 6000 Beschäftigte bei zirka 1300 Reisebüros, ein Frauenanteil von 83%, 309 Lernende und 3,4 FTE pro Reisebüro – das sind laut SRV die offiziellen Zahlen der Schweizer Reisebranche. Das Positive: die Reisebranche wächst wieder. Trotzdem oder gerade deshalb ist es wichtiger denn je zu wissen, was getan werden muss, um weiterhin gutes Personal zu finden und letzten Endes einstellen zu können.

«Gerade bei den Lernenden hat die Reisebranche ein noch riesiges Potenzial, das sie unbedingt nutzen muss», so Barbara Rigassi. Vor der Krise waren es bei Lernstart 103 Kaufmann/-frau EFZ Branche Reisen-Lernende. In der Krise sank diese Anzahl auf 38 Lernende. In diesem Jahr sind es wieder 76. Noch deutlich zu wenig, wie Rigassi findet.

Suchradius ausweiten und Methoden verbessern

Doch wie findet sich neues Personal und wie holt man sie ins Unternehmen? Rigassi ist der Meinung, dass der Suchradius ausgeweitet und auch die Methoden nach potenziellen Kandidaten zu suchen, verbessert werden müsse. «Stelleninserate alleine reichen nicht mehr aus – heute muss sich der Arbeitgeber quasi bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bewerben.»

Um das Personal im eigenen Betrieb halten zu können, müssen Mitarbeitenden laut Rigassi einen Impact sehen. Es brauche eine gemeinsame Wertebasis, mehr Flexibilität und Modelle angepasster Arbeitsbedingungen wie mögliche Teilzeit oder Jahresarbeitszeiten.

Was kann der Verband tun?

Die Branche kann den Rahmen für die Mitglieder setzen, Fachkräfte suchen und anstellen ist jedoch die Aufgabe des Unternehmens.

  • Aktive Netzwerk und sich einbringen bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen wird wichtiger (Gap Politik-Wirtschaft)
  • Talent- und Fachkräftemanagement unterstützen: Mitglieder Peer-to-Peer, Bsp. Konzept für Fokusthema Quereinsteiger
  • Grundausbildung: Branchenangebote entwickeln und anbieten
  • Image der Branche prägen
Worauf können Unternehmen achten?
  • Employer Branding
  • Reisebüros stehen nicht nur in ihrer Branche im Wettbewerb sondern mit vielen anderen Branchen, welche Skills brauchen.
  • Stelleninserate genügen nicht mehr. Push der Stellen via JobCloud und andere Plattformen; Mitarbeiterempfehlungen.
  • Personal- und Talentmanagement wird als Investitionsthema immer wichtiger.
Das sagen die Profis zum Fachkräftemangel
Dr. Barbara Rigassi (links) moderiert Podium mit Silvia Cornel (Cornels Kreuzlingen), Dominick Eckert (Dreamtime) und Nicole Pfammatter (Hotelplan Suisse).

Auf die Frage was es denn in der Reisebranche so schwierig macht gute Leute zu finden, hat Silvia Cornel, Geschäftsführerin Cornels Reisebar, eine einfache Antwort. «In der Reisebranche sind viele verschiedene Komponente gefordert, das macht es komplex.» Dominic Eckert, Geschäftsinhaber Dreamtime Travel ist der Meinung, dass die trotz grosser Verantwortung eher tiefe Honorierung ein Grund sein könnte.

Nicole Pfammatter, CEO Hotelplan Suisse hat das Gefühl, dass die Branche gegen aussen wieder spannender gemacht werden müsse. «Wenn wir den Tourismus wieder interessanter machen, können wir grosse Schritte tun.»

In den letzten Jahren hat sich in Bezug auf die Personalsuche einiges getan. «Wir haben eigentlich alles verändert. Unsere Mitarbeitenden sind angehalten unsere Stellen zu proaktiv zu teilen.» Das bestätigt auch Dominic Eckert und geht noch einen Schritt weiter: Neue Mitarbeitende kommen durch bestehende Mitarbeitende. Ausserdem sprechen wir auch unsere Kunden an. Typische Stelleninserate nutzen wir nicht mehr.»

Stelleninserate werden auch bei Hotelplan Suisse nur noch als unterstützende Massnahme genutzt, bei Cornels Reisebar setzt man vermehrt auf die Sozialen Medien oder die Reisebranche Facebook-Gruppe um Inserate zu teilen. Normale Stelleninserate werden aber auch noch publiziert.

Mehr als nur ein Job

Heutzutage müssen sich Unternehmen den Kandidaten anpreisen. Dieser Meinung ist auch Dominic Eckert: «Kandidaten schauen sich das Unternehmen tiefer an. Ein Vorstellungsgespräch ist nicht mehr nur ein Gespräch, es geht ums Kennenlernen. Auch der Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit innerhalb eines Unternehmens wird immer wichtiger.»

«Wir haben die Arbeitszeiten pro Tag auf sechs Stunden reduziert. So können wir unseren Mitarbeitenden mehr Flexibilität bieten», sagt Silvia Cornel. Bei Hotelplan gibt es die Möglichkeit auf Workation. Das beflügelt Leute, es ist zwar kein Tool um Mitarbeitende zu gewinnen, aber es motiviert auf jeden Fall», so Pfammatter.

Bestehende Mitarbeitende zu motivieren, ist laut Cornel ein gutes Stichwort. «Auch wir haben mit den flexiblen Arbeitsstunden einen Weg gefunden unsere Mitarbeitenden zu motivieren, ohne dass es das Tagesgeschäft negativ beeinflusst.» Dominic Eckert sieht das genauso und bestätigt, dass man heute als Arbeitgeber hochflexibel sein sollte. «Wir passen die Arbeitszeiten unseren Mitarbeitenden an und nicht umgekehrt, so der Dreamtime-Geschäftsinhaber.

Ehemalige Young Talents über ihrer Berufserfahrungen (von Links): Franziska Jud (YT 2018, jetzt Stadtspital Zürich), Zoe Scherrer (YT 2019, DER Touristik Suisse) und Melanie Sommer (YT 2015, jetzt BLS Reisezentrum).

Drei ehemalige Young Talents: Melanie Sommer, Franziska Jud, Zoe Scherrer werden zur Diskussion hinzugezogen. Alle drei haben unterschiedliche Erfahrungen mit der Reisebranche gemacht, sind entweder weg von der Branche, wieder zurückgekehrt oder seit Arbeitsbeginn in der Reisebranche tätig.

Dennoch unterscheiden sich ihre Meinungen zum Fachkräftemangel und zum generellen Stand in der Branche nur geringfügig.

Um einen Job anzunehmen, haben auch alle ähnliche Vorstellungen: Flexibilität, Abwechslung, Arbeitsklima und auch der Lohn spielt eine nicht absolut unwichtige Rolle – obwohl eine Arbeit, die Spass macht wichtiger ist als nur viel Geld zu verdienen. Das sind sich die drei jungen Frauen einig. «Ich arbeite nicht wegen dem Lohn im Tourismus, sondern weil es mehr ist als nur ein Beruf», sagte beispielsweise Melanie Sommer.

Obwohl man sich in der Reisebranche in der unteren Lohnklasse befinde, sehen sie andere Anreize, die für die Branche sprechen. «Ich konnte dafür viel auf Reisen, teilweise sogar kostenlos», meint Zoe Scherrer.

Yannick Suter, Angelo Heuberger