Nachtzugprojekt des SBB-Chefs in der Kritik

Die Car- und Flugbranche befürchtet, dass in Zukunft weniger Leute ihr Angebot nutzen werden.
SBB CEO, Vincent Ducrot ©KEYSTONE/Alessandro della Valle

Vor einigen Jahren haben die SBB die Nachtzüge einschlafen lassen und das Rollmaterial an ÖBB verkauft. Nun hat der neue SBB-Chef Vincent Ducrot beschlossen, dass das Schlafwagenangebot wieder ausgebaut werden soll. Dieses Ansinnen ruft die Car- und Flugbranche auf den Plan, sie befürchten, dass in Zukunft weniger Leute ihr Angebot nutzen werden.

Nationalrat Benjamin Giezendanner ärgert sich laut der «Sonntags Zeitung» wegen des Plans des neuen SBB-Chefs Vincent Ducrot. Dieser will das Nachtzugangebot auf die zusätzlichen Destinationen Amsterdam, Rom und Barcelona ausbauen. Und weil das ein hoch defizitäres Geschäft ist, beansprucht die Bahn Subventionen aus dem neuen Klimafonds.

Was Giezendanner ärgert: «Während der Pandemie ist der Reisemarkt massiv eingebrochen, und zahlreiche Anbieter aus Industrien ohne staatliche Unterstützungen stehen kurz vor dem unverschuldeten Ruin.» Es sei absolut unverständlich, dass der Staatsbetrieb SBB ausgerechnet jetzt mit einem neuen subventionierten Angebot die privaten Transporteure verdrängen wolle.

60 Politiker wollen SBB-Chef zurückpfeifen

Giezendanner stört auch, dass die SBB nach dem Klimafonds greifen, obwohl dessen Zweck noch nicht einmal abschliessend definiert sei. Er ist überzeugt, dass man mit den Subventionen für den Schlafwagen-Plan der SBB der Umwelt nicht hilft: Unter dem Strich könne man «mit dem Geld viel effizienter CO2 einsparen, wenn man es für direkte Kompensationen einsetzt».

Giezendanner hat bereits einen Vorstoss aufgesetzt, in welchem er den Bundesrat auffordert, den Plan der SBB sofort zu stoppen. Der Vorstoss wurde von 60 Nationalräten unterzeichnet, darunter auch gemässigte wie FDP-Nationalrat Kurt Fluri.

In der Tat ist man in den betroffenen Branchen ziemlich schlecht zu sprechen auf Ducrots Schlafwagenprojekt: «Für die Reisebusbranche ist der Plan der SBB verheerend», sagt André Kirchhofer, Geschäftsführer des Nutzfahrzeugverbandes Astag. Carunternehmer seien «entrüstet». Denn im internationalen Personenverkehr stünden die SBB voll im Wettbewerb.

«Wenn sie nun ein hochsubventioniertes Angebot machen, wird das gerade in diesen schwierigen Zeiten sehr vielen Reisebusunternehmen den Rest geben», sagt Kirchhofer. Dabei reise man in einem voll besetzten Reisebus ökologischer als in Zügen, die in der Regel nicht voll ausgebucht seien.

Philip Kristensen, Geschäftsführer von Aerosuisse, dem Dachverband der Schweizer Luftfahrt, sagt: «Die Subvention des geplanten Schlafwagenangebots führt zu einer inakzeptablen Wettbewerbsverzerrung der Flugbranche und anderer privater Transportunternehmen.» Das Geld im Klimafonds werde zum grössten Teil von der Flugticketabgabe kommen, also aus der Flugbranche.

Kristensens Verständnis des Klimafonds: «Geld, das die Flugunternehmen in den Fonds einbezahlen, muss ihnen erhalten bleiben zum Beispiel zur Förderung von alternativen klimaneutralen Treibstoffen.» Denn auch die Flugbranche müsse ihre CO2-Emissionen senken. Für gewisse Strecken gibt es keine Alternative zum Flugzeug, zum Beispiel, weil es Menschen gibt, die auf die Zeitersparnis durch das Flugzeug angewiesen sind.

Grüne zufrieden mit dem SBB-Chef

Auf seiner Seite weiss der SBB-Chef hingegen die Grünen. «Die SBB haben genau das getan, was wir schon lange fordern», sagt Nationalrätin Regula Rytz. Die Subventionierung der Nachtzüge sei eine Entzerrung des Wettbewerbs. Denn die Flugunternehmen hätten heute einen massiven Wettbewerbsvorteil: «Während in der Schweiz Benzin und Diesel besteuert werden, sind internationale Flüge von der Treibstoffsteuer befreit. Zusätzlich profitiert die Luftfahrt von der Mehrwertsteuerbefreiung», sagt Rytz.

Und Carunternehmen haben aus ihrer Sicht eine andere Funktion als der öffentliche Fernverkehr. «Wer schnell und umweltfreundlich grosse Strecken zurücklegen will, steigt auf die Nachtzüge um.» (TI)