Swiss-CFO Binkert: «Die USA sind unser Rückgrat»

Die Airlines auf beiden Seiten des Atlantiks setzen ab heute auf das Comeback der USA.
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Ab heute Montag können geimpfte Schweizerinnen und Schweizer wieder in die USA reisen. Für Flughäfen und Airlines hängt vieles an diesem wichtigen Markt.

Die Airlines berichten von starken Vorausbuchungen und hoffen auf einen enormen Nachholbedarf bei Geschäftsreisenden wie auch bei Privatleuten. In den USA bereiten sich Flughäfen und Tourismuswirtschaft auf die Rückkehr der europäischen Gäste vor.

Für die Swiss seien die Flüge nach Nordamerika von entscheidender Bedeutung, erklärt Markus Binkert, Finanzchef der Swiss. «Die USA sind natürlich unser Rückgrat. Insbesondere auf der Langstrecke. Natürlich sehen wir da viele Bewegungen, auch in den Buchungen auf dem Nordatlantik. Das ist auch nötig, um dann wieder in die schwarzen Zahlen fliegen zu können im nächsten Jahr», so Binkert auf SRF.

Die Flüge nach Nordamerika sind aber auch für die anderen Fluggesellschaften wichtig. Deshalb fliegen die grossen Airlines ab heute wieder deutlich öfter sind die USA und zurück als noch in den vergangenen Wochen und Monaten.

Obschon die Nachfrage nach diesen Flügen gross ist: Euphorisch ist Binkert deswegen noch nicht. «Wir müssen immer in der Perspektive sehen, dass wir auch jetzt etwa die Hälfte der Kapazität fliegen von vor Corona.» Das habe auch damit zu tun, dass jetzt die ohnehin harten Wintermonate kommen, in denen auch zu normalen Zeiten vergleichsweise wenig geflogen wird.

Bis auch wieder Touristinnen und Touristen in die USA reisen, dürfte es somit noch einige Monate dauern. Auch der internationale Airlineverband Iata betont, dass die Grenzöffnung zwar wichtig sei, aber aus dem Schneider seien die Fluggesellschaften damit noch nicht.

Lukrativer Markt

Die Bedeutung des Nordatlantik-Marktes ist für die Lufthansa Group und die anderen europäischen Netz-Carrier Air France-KLM und British Airways kaum zu überschätzen. Die grossen Drei haben sich in der Vergangenheit den Markt zu einem sehr grossen Teil gemeinsam mit ihren jeweiligen Joint-Venture-Partnern aus den USA aufgeteilt.

Lufthansa kooperiert mit United und Air Canada und macht in normalen Zeiten rund die Hälfte ihres Langstreckengeschäfts über dem Atlantik. Weder staatlich subventionierte Golf-Airlines noch allzu viele Billigflieger störten das lukrative Business. Zuletzt scheiterte der Langstrecken-Billigflieger Norwegian.

Lufthansa hatte ihre US-Flüge im ersten Corona-Schock nur kurzfristig unterbrochen. US-Bürger, Diplomaten, Türken, Araber und Menschen anderer Nationen fielen nicht (mehr) unter den noch von Donald Trump verkündeten Einreisebann, zusätzlich sorgte die teure Fracht für Deckungsbeiträge. Wenn nun die Passagiere aus Europa hinzukommen, schnellen die Buchungen auf gut 80% des Vorkrisenniveaus, so die Lufthansa.

Die US-Fluggesellschaft Delta berichtet von voll ausgelasteten internationalen Flügen in die USA am Montag. Auch in den darauffolgenden Wochen werde es ein anhaltend hohes Passagieraufkommen geben. Neben dem Nachholbedarf der Privatreisenden zeige die Erfahrung mit US-Unternehmen, dass auch die Geschäftsreisen deutlich stärker wieder zurückkämen als erwartet, hat Lufthansa-Chef Carsten Spohr erklärt.

Im Vorkrisenjahr 2019 beförderten die Netzwerk-Airlines der Lufthansa gut 12,3 Mio. Passagiere im Verkehrsgebiet Amerika. Die Erlöse betrugen EUR 7,1 Mrd., ein Drittel des gesamten Verkehrsumsatzes. Nirgendwo verkaufte der Konzern mehr Sitzkilometer (95 Mrd.) bei einer gleichzeitig sehr hohen Auslastung der Flugzeuge von 85,5%.

Nachholbedarf und hohe Preise

Der deutsche Luftfahrtexperte Gerald Wissel erwartet zunächst eine starke Nachfrage. «Es gibt einen hohen Nachholbedarf, und auch die Firmen werden ihre Leute wieder in die USA schicken, um die dortigen Kunden nicht zu verlieren», sagte er der deutschen Nachrichtenagentur DPA.

Zugleich könnten sich die Airlines aus verschiedenen Gründen zurückhalten, ihr Angebot schnell wieder zu erweitern. So fehle es an einsatzbereiten Jets und Crews. «Das wieder hochzufahren ist hochkomplex und zeitintensiv», sagt Airborne-Berater Wissel.

Er erwarte daher, dass sich die Gesellschaften auf beiden Seiten des Atlantiks zunächst belauern und im Zweifel kleinere Flugzeuge einsetzen, die einfacher gefüllt werden können. Die Ticketpreise blieben dann zunächst eher hoch. Allerdings dürfen die Airlines dabei besonders bei den Passagieren zwischen Asien und Nordamerika nicht den Wettbewerb im Nahen Osten und der Türkei aus den Augen verlieren.

Auch für US-Carrier wichtig

Die US-Fluggesellschaften konnten die Krise zwar wegen ihres grossen Heimatmarkts besser abfedern als einige europäische Rivalen, doch auch hier sorgt das Ende der Einreisesperre für grosse Erleichterung. «Nach der Ankündigung des Weissen Hauses haben wir einen sofortigen Anstieg der Flugbuchungen in mehrere unserer entscheidenden internationalen Märkte erlebt», sagte Top-Manager Robert Isom von American Airlines jüngst vor Investoren.

So hätten die Buchungen nach Grossbritannien quasi über Nacht um 66% und die nach Kerneuropa um 40% zugelegt. «Es gibt eindeutig eine grosse aufgestaute Nachfrage», so Isom.

Andere grosse US-Airlines wie Delta und United hoffen ebenfalls auf Schub. Doch laut Experten bleiben die Unternehmen zunächst abwartend und vorsichtig – auch angesichts Personalmangels und logistischer Herausforderungen. «Die Frühindikatoren deuten darauf hin, dass die US-Fluggesellschaften nicht planen, ihre Kapazitäten angesichts der Wiedereröffnung des transatlantischen Marktes in der kommenden Woche stark zu erhöhen», meint John Grant vom Analysehaus OAG. (TI)