«Unwägbarkeiten gehören zu Indien»

Thurgau Travel nimmt Stellung zur ersten Indien-Saison ihres neuen Schiffs Thurgau Ganga Vilas mit der vielbeachteten ‘längsten Flussreise der Welt’.
Familienunternehmen Thurgau Travel mit (v.l.) Pia Pauli-Kaufmann, Peter Kaufmann, Daniel Pauli-Kaufmann und Hans Kaufmann. © Beat Eichenberger

Hans Kaufmann, Gründer und VR-Präsident von Thurgau Travel, hat in seiner Karriere schon die eine oder andere ungewohnte Reiseidee mit Flussschiffen verwirklicht.

Mit dem Charter des Neubaus Ganga Vilas von Heritage und einer 52-tägigen, in den Medien vielbeachteten «längsten Flussreise der Welt» auf dem Ganges und dem Brahmaputra durch Indien und Bangladesch hat das Familienunternehmen im letzten Winter eine weitere Pioniertat umgesetzt.

Grosser Bahnhof für ein kleines Schiff
Offizieller Empfang in Bangladesh. ©Beat Eichenberger

«Die lange Reise verlief letztlich gut und die Gäste waren sehr zufrieden», bilanziert Hans Kaufmann, der den zweiten Abschnitt auf dem Brahmaputra begleitete, das ambitionierte Projekt. Auch finanziell sei die Rechnung aufgegangen: Die Thurgau Ganga Vilas war ausgebucht, wobei die Hälfte der 36 Gäste die ganze 52-tägige Strecke fuhren und die andere Hälfte je den Abschnitt auf dem Ganges oder dem Brahmaputra.

«Eine derart aussergewöhnliche Reise birgt aber immer gewisse Risiken, verlangt laufend die Information der Gäste und von diesen eine gewisse Flexibilität», so Kaufmann weiter. Eine Herausforderung waren etwa die (letztlich unproblematischen) Grenzformalitäten zwischen Indien und Bangladesch oder die Fahrt durch das Naturparadies der Sundarbans im riesigen Delta der beiden gewaltigen Flüsse.

«Die Thurgau Ganga Vilas querte als erstes modernes Schiff das ‘No Man’s Land’ der Sundarbans. Möglich war dies nur dank der passenden Ausstattung des Schiffes und dem Zukauf von Frischwasser unterwegs», erklärt Thurgau-Geschäftsführer Daniel Pauli.

Speziell auf dieser Reise waren insbesondere auch die vielen offiziellen Anlässe, die überall für die Thurgau Ganga Vilas organisiert wurden. «Die Empfänge mit rotem Teppich, Ansprachen, Kamerateams und Interviews forderten von den Gästen einiges ab. Die meisten genossen aber diese einmalige Erfahrung als VIP», sagt Peter Kaufmann, der auf dem ersten Abschnitt auf dem Ganges an Bord war.

Hintergrund dazu ist die gezielte staatliche Förderung der Schifffahrt auf den grossen indischen Flüssen, und zwar sowohl für den Frachtverkehr wie den Tourismus. Die erste «längste Flussreise der Welt» der Thurgau Ganga Vilas wurde deshalb als Auftakt für eine neue Ära des Fluss-Tourismus staatlich unterstützt und gefeiert. Dieser Support ist aber auch im Zusammenhang mit verschiedenen Bewilligungen und Lizenzen hilfreich und gar notwendig.

Unberechenbarkeiten einer Indien-Reise
Morgennebel über dem Ganges. © Beat Eichenberger

Vor der 52-tägigen Reise legte die Thurgau Ganga Vilas im letzten Dezember ihre Premierenfahrt auf dem Ganges von Kolkata nach Varanasi auf – TRAVEL INSIDE war an Bord und berichtete ungeschminkt über die gemachten Erfahrungen.

So gab es im Oberlauf des Ganges oft Nebel, was die Fahrt verzögerte, und es wurde auch kühler. Deshalb stellt sich die Frage nach der richtigen Saison für solche Reisen. «Generell gelten die Monate zwischen Oktober und März als ideale Reisezeit für Indien», sagt Daniel Pauli.

Dass über Teilen der Ganges-Ebene auch mal Nebel liegt, gehöre wir überall zu den üblichen und jährlich wechselhaften Wetterrisiken – das gelte es zu berücksichtigen. Auf dem langen Rest der Reise sei das Wetter jedoch gut und warm gewesen, versichert Hans Kaufmann. Und eins ist klar: Während des Monsuns von Mai bis August sind Flussfahrten wegen des hohen Wasserpegels schlichtweg nicht möglich.

Auf dem oberen Ganges verzögerten auch Sandbänke und kritische Fahrrinnen die Weiterfahrt und brachten die Planung durcheinander. Begleitende Schiffe der Inland Waterways Authority wiesen den Weg oder wühlten Ablagerungen auf.

Diese Erfahrung hat Peter Kaufmann auf der Fahrt zurück von Varanasi nach Kalkuta nicht mehr gemacht, was auf eine gewisse Unberechenbarkeit des Ganges hinweist:  «Unsere Fahrt verlief problemlos». Auch auf dem Brahmaputra traten kaum solche Probleme auf, ergänzt Hans Kaufmann. Stets an Bord der Thurgau Ganga Vilas waren lokale Lotsen, und das Schiff wurde auch aus Sicherheitsgründen auf der ganzen Reise von der Authority eskortiert.

Schliesslich überschattete eine Magen-Darm-Verstimmung der meisten Gäste die ersten Tage der Premierenfahrt der Thurgau Ganga Vilas, und auf dem ersten Abschnitt der langen Reise gab es erneut solche Zwischenfälle. «Wir haben intensiv die gesamte Hygiene untersucht und viele Audits vorgenommen mit der Erkenntnis, dass es punktuelle Wasser-Verunreinigungen gab», sagt Peter Kaufmann.

Dazu muss man wissen, dass an Bord einerseits Wasser aus dem Fluss gereinigt und für WC, Dusche etc. bereitgestellt wird. Das Trinkwasser für die Gäste, in der Küche etc. stammt jedoch ausschliesslich aus (eingekauften) abgefüllten Kanistern.

Nach einer nochmaligen Gesamtreinigung sämtlicher hygienischen Bereiche und einer weiteren eingehenden Prüfung aller Wasser-Manipulationen mit entsprechenden Anpassungen und Massnahmen sei das Problem aber nicht mehr vorgekommen, versichert Peter Kaufmann.

Angepasstes Programm 2023/24
Farbenfroher indischer Alltag. © Beat Eichenberger

Bei Thurgau Travel ist man zuversichtlich, dass solche aussergewöhnliche Flussfahrten auf dem Ganges und dem Brahmaputra viel Potenzial haben. Doch auf Grund der Erfahrungen der ersten Saison, der Feedbacks der Kunden und einer generellen Zurückhaltung für Reisen in Indien und Bangladesch hat man das vorerst geplante Programm 2023/24 nun etwas zurückgestuft.

«Wir wollen keine unnötigen kommerziellen Risiken eingehen und müssen uns nach der Nachfrage richten. Diese gilt es schrittweise zu entwickeln», sagt Hans Kaufmann. Deshalb legt die Thurgau Ganga Vilas zwischen Dezember 2023 und Februar 2024 ein ähnliches Programm auf wie im letzten Winter.

Konkret: Eine erste 22-tägige Ganges-Fahrt führt von Kolkata nach Varanasi, gefolgt von einer 52-tägigen längsten Fahrt auf Ganges und Brahmaputra von Varanasi nach Kolkata und bis Sibsagar (Assam), die auch in zwei Abschnitten gebucht werden kann, und eine abschliessende 33-tägige Brahmaputra-Fahrt zurück nach Kolkata.

Geschäftsführer Daniel Pauli ist sich bewusst, dass für dieses Produkt noch einiges an Aufklärungsarbeit notwendig ist. «Eine Flussreise auf Ganges und Brahmaputra kann nicht mit Fahrten auf europäischen Flüssen verglichen werden – das ist ein gänzlich anderes Erlebnis». Deshalb sei eine korrekte und umfassende Information wichtig.

«Auf einer Antarktis-Expedition akzeptiert man auch, dass Anlandungen und Zodiac-Touren vom Wetter abhängig sind. Ein ähnliches Verständnis gilt es für Flussreisen in Indien aufzubringen, wo die Wetterverhältnisse, der Pegelstand der Flüsse und andere Unwägbarkeiten das Programm beeinflussen können und nicht immer alles perfekt abläuft. Es ist unsere Aufgabe, die Gäste und die Reisebüros klar und offen darauf hinzuweisen», nimmt sich Pauli in die Pflicht.

Beat Eichenberger