Tinder im Flugvertrieb

Das Start-up Ipower.me mit Schweizer Beteiligung will die Kontrolle über die Daten den Passagieren zurückgeben. Die ersten Airlines zeigen Interesse.
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Der Flugticketvertrieb befindet sich im Wandel: Tarife werden auseinandergerissen und neu zusammengebündelt, Airlines setzen auf direkte Vertriebskanäle und damit auch auf volle Datenkontrolle, eine Vergleichbarkeit von gleichwertigen Produkten ist praktisch unmöglich geworden.

Warum nicht einmal den Spiess umdrehen, haben sich einige findige Köpfe aus der Start-up-Szene gedacht. Warum sollen Passagiere nach dem passenden Angebot suchen, wenn sich doch eigentlich auch die Airlines um die Passagiere bemühen könnten? Aus dieser Idee heraus haben der Tessiner Sandro Scodeller, der Malawier Anthony Kalinde und die Iranerin Mozhgan Tavakolifard das Unternehmen «Ipower. me» ins Leben gerufen. Später stiess noch Ieva Brezgyte aus Litauen dazu. Die vier, so erzählen sie im Gespräch mit TRAVEL INSIDE, haben früher zusammen bei einem Start-up im Bereich Datenwissenschaft zusammengearbeitet und wollen dieses Know-how nun in den Flugvertrieb bringen.

DIE VERSPRECHEN SIND GROSS: «Werde belohnt für deine Reisen und dafür, wer du bist», heisst es auf der Website, oder auch «Die Macht von Big Data sollte nicht beim Anbieter liegen, sondern beim Kunden». Wo liegt der Unterschied zu normalen Suchplattformen wie Skyscanner und Co? «Auf Skyscanner suche ich und erhalte eine riesige Liste. Bei uns sage ich, wer ich bin und wo ich hin will, und erhalte daraufhin die passenden Angebote von den Airlines», sagt Scodeller.

KONKRET LEGT DER KUNDE auf der Ipower. me-App ein Leisure- oder Corporate- Profil an und gibt entweder die Destination oder auch einfach eine Aktivität ein. Daraufhin erhält er die passenden Angebote der Airlines, zwischen denen er ähnlich wie auf der Dating App Tinder hin- und her-«swipen » kann. Der Clou dabei: Die Airlines haben bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Kundendaten erhalten, sondern ihre normale Marktsegmentierung gemacht und darauf basierend Angebote zusammengestellt. Bei Ipower.me sehen sie, wie viele Treffer ihr Angebot bei den Usern landen könnte – aber nicht, wer diese User sind. Erst bei der Buchung fliessen Kundendaten.

«Auf diese Weise bleibt die Datenhoheit bei den Kunden, und es entsteht trotzdem eine direkte Verbindung», erklärt Scodeller. Die Airlines können dabei mit ihren Produkt-Bausteinen «Mix & Match» betreiben und zum Beispiel Ancillaries in ihre Angebote einbauen. Es findet quasi ein «Reversed bidding» statt; die Airlines können ihre Angebote so optimieren, dass sie mit den Anforderungen möglichst vieler Ipower.me-Benutzer übereinstimmen. Der Vorteil für die Airlines: «Auf diese Weise ist nicht zwingend derjenige mit dem tiefsten Preis zuvorderst, sondern die Airline, welche die Bedürfnisse der Kunden am besten abdeckt. Das gibt z.B. einer Swiss oder Lufthansa die Chance, mit Low-Costern zu konkurrieren», ist Scodeller überzeugt.

DIE IDEE KOMMT AN: An einem Hackathon der IATA überzeugte das Start-up und holte den ersten Platz. Seither zeigen die Airlines Interesse, etwa Finnair oder der Innovation Hub der Lufthansa-Gruppe. Jetzt müssen Kunden her, weshalb Ipower.me in den nächsten Tagen eine Kickstarter-Kampagne starten wird. «Wir benötigen Geld, aber wir benötigen vor allem auch User. 100000 Kunden wäre ein guter Start», sagt Scodeller. Wer auf dem Laufenden bleiben möchte, kann sich auf Ipower.me registrieren.

Der Zeitpunkt scheint sowohl von Airline- als auch von Kundenseite her günstig. Ipower.me basiert auf NDC und gilt als Direktvertriebskanal, was sich voll mit den aktuellen Entwicklungen deckt. Und auf Kundenseite ist die neue Datenschutz-Grundverordnung zurzeit in aller Munde.

Das System lässt sich im Prinzip aber auf jeden anderen Vertrieb übertragen. «Der nächste logische Schritt wären Hotels und Mietwagen», so Scodeller.

Stefan Jäggi