Jetzt kann der Staat bei TUI einsteigen

Deutschland wird zu einem grossen Player in der Reiseindustrie.
© TUI

Mit ihrer Zustimmung zu einer Kapitalerhöhung haben die Aktionäre von TUI am Dienstag den Einstieg des deutschen Staats beim finanziell angeschlagenen Reisekonzern ermöglicht. Der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) kann nun seine Kredite in Aktien umwandeln.

Nimmt der WSF sein Recht in vollem Umfang wahr, darf er maximal 25% plus einen Anteilsschein an TUI übernehmen. Das würde dem Staat eine Sperrminorität sichern, die ihm ein Mitspracherecht und eine Blockademöglichkeit bei zentralen Entscheidungen gibt. TUI-Vorstandschef Fritz Joussen erklärte allerdings: «Der Fonds macht keine Vorgaben für das operative Geschäft.»

Die EU-Kommission hatte den Staatseinstieg kürzlich genehmigt, mit weiteren Krediten, die zum mittlerweile dritten «Stabilisierungspaket» im Umfang von rund EUR 4,8 Mia. gehören. Ein grosser Teil dieses Geldes ist längst weg. Auch die bisherigen Aktionäre müssen im Rahmen der Kapitalerhöhung frisches Geld bringen.

Die russische Milliardärsfamilie Mordaschow – bisher mit knapp 25% grösste TUI-Einzelaktionärin – wurde von der Finanzaufsicht Bafin von der Pflicht befreit, ein Übernahmeangebot abzugeben, sollte ihr Anteil 30% erreichen. Laut Joussen sind bis zu 36% für die Mordaschow-Firma Unifirm denkbar. Ob weitere Grossaktionäre wie die spanische Hotelgruppe Riu oder der ägyptische Touristik-Unternehmer Hamed el Chiaty ihre Bezugsrechte ausüben, «ist uns nicht bekannt».

Jeden Monat werden hunderte Millionen verbrannt

Vor der Kapitalerhöhung um rund EUR 500 Mio. belief sich die Unterstützung für TUI aus Darlehen, Garantien, Anleihen und Vermögenseinlagen bereits auf EUR 4,8 Mia. Laut Joussen hat der Konzern derzeit noch EUR 2,3 Mia. flüssige Mittel, die Kapitalaufstockung und das neue Rettungspaket eingerechnet.

Bis zum Frühling wird voraussichtlich ein grosser Teil dieses Geldes auch weg sein. Weil das Reisegeschäft weiterhin am Boden ist, werden jeden Monat dreistellige Millionenbeträge verbrannt. TUI-Chef Joussen ist allerdings optimistisch, dass bald wieder gereist wird. Der Buchungsstand für den Sommer 2021 sei gut.

Um längerfristig zu überleben muss die mittlerweilen hoch verschuldete TUI nach weiteren Finanzierungsquellen suchen. Der Konzern prüft auch, Unternehmensteile abzustossen. Dazu könnte etwa die Auslagerung des Airline-Betriebs in Gemeinschaftsfirmen zählen. Und bei den Hotels gibt es Überlegungen, einige zu verkaufen und nur noch deren Management zu behalten.

Mit dem Einstieg bei TUI wird Deutschland zu einem grossen Player in der Reiseindustrie. Der Staat hat sich mit dem Hilfspaket für die Lufthansa auch am Airline-Konzern beteiligt, zu dem auch die Swiss gehört. (TI)