«Bis 2027 wird jeder dritte Luxus-Kreuzfahrtgast mit Silversea reisen»

Das grosse TRAVEL INSIDE-Interview über Luxus und Nachhaltigkeit mit Barbara Muckermann, seit 1. Januar 2023 President und CEO der Luxus-Reederei Silversea.
Barbara Muckermann ©Silversea/Steve McCurry

Barbara Muckermann, Silversea hat in den letzten Jahren fünf neue Luxusschiffe übernommen, darunter die drei Muse-Klasse Schiffe Silver Muse, Silver Moon und Silver Dawn. Nun folgt in diesem Sommer mit der Silver Nova bereits die nächste neue Bauklasse – wie kann man Luxus noch steigern?

Bei der neuen Nova-Klasse gibt es drei grosse Unterschiede zur Muse-Klasse: Die Silver Nova gehört zu den umweltfreundlichsten Schiffen der Welt und ist das erste Luxusschiff mit einer wegweisenden Hybrid-Antriebstechnologie inklusive LNG als Haupttreibstoff, Batterien und Brennstoffzelle.

Damit setzten wir im Bereich Nachhaltigkeit für kleinere Schiffe neue Massstäbe und reduzieren die CO2-Emissionen im Vergleich zur vorherigen Bauklasse um rund 40 Prozent. Baulich unterscheidet sich die Nova-Klasse von der Muse-Klasse vor allem durch ihren horizontalen Aufbau und das asymmetrische Design.

Horizontal und asymmetrisch, was heisst das?

Alle unsere bisherigen Schiffe zeichnen sich durch einen vertikalen Aufbau aus, das heisst die öffentlichen Räumlichkeiten befinden sich über alle Decks im hinteren Teil des Schiffes und die Suiten im vorderen Teil.

Auf der Silver Nova erstrecken sich die Räumlichkeiten nun durchgehend über zwei Decks, und auch die Suiten sind auf ihren Decks über die gesamte Länge des Schiffs angelegt. Dadurch ergeben sich neue Suiten-Kategorien wie zum Beispiel die grosszügigen Otium-Suiten, die sich nun am Heck des Schiffes befinden.

Und mit dem asymmetrischen Design befindet sich der Pool nicht mehr mittschiffs sondern entlang einer Schiffsseite. Dies bietet den Gästen ein neuartiges Erlebnis wie am Strand mit Blick übers Wasser.

Die Silver Nova ist mit einer Bruttoraumzahl BRZ von 54’700 zudem einiges grösser als die Muse-Klasse – gibt es auch neue räumliche Konzepte und Angebote?

Die ganze Wahrnehmung an Bord ist grosszügiger und luftiger. So erstreckt sich zum Beispiel das Theater erstmals über zwei Etagen, was neue Möglichkeiten für Shows erlaubt. Erstmals gibt es auf einem Silversea-Schiff zudem ein richtiges Atrium, und wie erwähnt eröffnet der horizontale Aufbau neue attraktive Suiten-Konzepte am Heck des Schiffs.

Wird es auf der Silver Nova auch das neu entwickelte Kulinarik-Konzepte S.A.L.T. und das ebenfalls neue Wellness-Konzept Otium geben?

S.A.L.T. wurde auf der Silver Moon eingeführt, ist auch auf der Silver Dawn umgesetzt und kommt nun ebenfalls auf der neuen Nova-Klasse. Ebenfalls das römisch inspirierte Otium-Wellnessprogramm, das wir auf der Silver Dawn lanciert haben.

Die Planung sieht vor, dass Otium über die ganze Silversea-Flotte ausgerollt wird. Bei S.A.L.T. sieht es ein bisschen anders aus, weil dazu für ein S.A.L.T-Restaurant oder ein S.A.L.T-Kochstudio der notwendige Platz benötigt wird. Dies ist leider auf unseren kleineren Schiffen nicht gegeben.

Die Muse-Klasse kann knapp 600 Gäste aufnehmen, auf der Silver Nova und ihrem Schwesterschiff Silver Ray werden es nun 728 sein. Warum muss ein Luxusschiff immer grösser werden?

Das war nicht das angestrebte Ziel sondern ergab sich aus unserem unbedingten Bestreben, neue und innovative nachhaltige Technologien zu berücksichtigen. Der eigentliche Grund für die Grösse der Schiffe liegt bei der Nutzung von LNG als Haupttreibstoff, was massiv grössere Tanks erfordert.

Auch die Batterien und Brennstoffzellen benötigen viel Raum. Kleinere Schiffe verfügen nicht über das zwingend notwendige Volumen für derartige Nachhaltigkeits-Massnahmen, deshalb mussten die Schiffe der Nova-Klasse in etwas grösseren Dimensionen entworfen werden. Dies wiederum erforderte den Einbau von einigen zusätzlichen Suiten, damit die Schiffe letztlich rentabel betrieben werden können.

Stichwort LNG: Der Haupttreibstoff der Silver Nova ist noch längst nicht weltweit verfügbar – wie löst man dieses Problem?

Es ist tatsächlich noch längst nicht überall auf der Welt möglich, LNG zu bunkern. Das Schiff verfügt deshalb auch über einen Tank für schwefelarmen Marine Diesel, der ergänzend zum Einsatz kommen kann.

Zudem stehen Batterien zur Verfügung, ein sehr wichtiges Element. Die Leistungsfähigkeit von Batterien ist zwar heute noch reduziert, aber sie tragen bereits einen wichtigen Teil zum hybriden Modell bei.

Zum Einsatz kommen auch Brennstoffzellen, eine weitere neue Entwicklung auf dem Weg der Kreuzfahrt zu einem nachhaltigeren Betrieb. Welchen Beitrag leistet diese Technologie?

Wir arbeiten in diesem Bereich mit dem renommierten deutschen Unternehmen Freudenberg zusammen, einem der wichtigsten Entwickler von Brennstoffzellen. Die auf der deutschen Meyer-Werft im Bau stehende Nova-Klasse umfasst die ersten Kreuzfahrtschiffe, die mit einer von LNG gespiesenen Brennstoffzelle ausgestattet werden.

Die technologische Herausforderung ist jedoch gross, denn hier geht es um eine Entwicklung, die in dieser Grössenordnung neuartig ist. Wir streben mit dieser Technologie die Abdeckung des gesamten Hotelbetriebs im Hafen an.

Auch für Landstrom ist die Silver Nova ausgerüstet, doch diese Möglichkeit bieten erst sehr wenige Häfen an.

Das ist tatsächlich ein Problem. Die Kreuzfahrt-Industrie testet und investiert heute massiv in neue Technologien, aber viele Häfen sind noch gar nicht in der Lage, mit diesen neuen Entwicklungen Schritt zu halten. Deshalb setzten wir stark auf Partnerschaften mit Häfen und Regionen, damit auf allen Ebenen Fortschritte erzielt werden können.

Mit Blick auf die angestrebte Klimaneutralität in der Kreuzfahrt sucht man nach weiteren Wegen um mittel- und langfristig die fossilen Brennstoffe zu ersetzen. Synthetische Brennstoffe oder «E-Fuels» rücken in den Fokus – auch bei Silversea?

Technisch gesehen könnten synthetische Treibstoffe wie Methanol tatsächlich mal die heutigen fossilen Brennstoffzellen ersetzen. Sie verlangen aber zum Teil andere Motoren, Systeme und Tanks und werden wohl erst in zehn bis 15 Jahren auf Neubauten zur Anwendung kommen. Wir denken deshalb, dass auf dem Weg dahin vorerst Bio-Fuels den heutigen Treibstoffen beigemischt werden.

Solche neuen Treibstoffe müssen ja dann nicht nur überall in genügender Menge, sondern auch zu marktfähigen Preisen zur Verfügung stehen.

Das preisliche Argument steht für uns nicht im Vordergrund. Silversea ist ja Teil der Royal Caribbean Group, die sich das strategische Nachhaltigkeitsziel gesetzt hat, bis 2035 das erste vollständig klimaneutrale Schiff zu betreiben. Das Unternehmen ist gewillt, für dieses ambitionierte Ziel sehr viel Geld zu investieren.

Heute liegt aber noch keine schlüsselfertige Lösung auf dem Tisch, wie dereinst die fossilen Brennstoffe ersetzt werden können. Aber die Royal Caribbean Group ist gewillt in alle Entwicklungen zu investieren, die in diese Richtung zielen.

Noch ein anderer Nachhaltigkeits-Aspekt: Stets wieder wird bei Neubauten auf neuartige Abwasser- und Abfall-Lösungen hingewiesen. Doch dies hört man seit Jahren schon – was kann man in diesem Bereich überhaupt noch verbessern?

Es geht hier wie überall laufend um neue Etappen, die eine Entwicklung weitertreiben. Wir sind bestrebt, mit jedem neuen Schiff wieder etwas besser und klüger umzusetzen, und das gilt auch für das Abfall-Management und die Abwasser-Entsorgung. Neu auf der Silver Nova kann zum Beispiel aus Abfällen Energie gewonnen werden, die in das System der Batterien einfliesst.

In jedem Bereich der Nachhaltigkeit sind stets wieder neue, zum Teil auch scheinbar kleine Schritte möglich. So führen wir ebenfalls auf der Silver Nova in jeder Suite ein individuelles Osmose-System ein, damit die Gäste ihr eigenes Mineralwasser aufbereiten können – das reduziert den Plastik-Aufwand für Wasserflaschen. Wir arbeiten an vielen Themen und ich bin davon überzeugt, dass in zehn Jahren vieles ganz anders aussehen wird als heute.

Von der Nachhaltigkeit nochmals zurück zum Begriff Luxus: Was macht dieser Anspruch auf einem Schiff grundsätzlich aus und wie definiert Silversea Luxus auf ihren Schiffen?

Luxus hat bei Silversea zwei Dimensionen. Einmal geht es um die Destinationen, denn man unternimmt eine Kreuzfahrt in erster Linie um die Welt und neue Ziele zu entdecken. Es ist unsere Mission die ganze damit verbundene Vielfalt unseren Gästen zur Verfügung zu stellen. Der zweite Aspekt dreht sich um das Angebot an Bord. Dieses muss stets auch im Kontext mit dem Wesen einer Seereise verstanden werden.

Es dürfte zum Beispiel in Zürich kein Problem sein, ein tolles 3-Sterne- oder Michelin-Restaurant zu finden. Ein 3-Sterne-Abendessen in der Antarktis erhält jedoch eine ganz andere Bedeutung. Die Zutaten müssen frisch und aufwendig organisiert werden, was die Kosten hochtreibt. Es kommt also immer auch darauf an, wo auf der Welt man sich Luxus gönnt.

Nun ist Silversea ja nicht die einzige Luxus-Reederei am Markt. Welches sind in ihren Augen die Wettbewerbsvorteile, die sogenannten USP?

Ein tragendes Element unseres Anspruchs ist das umfassendste All-inklusive-Konzept. Silversea ist die einzige Reederei, welche die Gäste zu Hause mit einem Chauffeur-Service abholt und wieder nach Hause bringt, dies natürlich auch in der Schweiz.

Jeder Gast in jeder Suite geniesst zu jeder Tageszeit Butler-Service, alkoholische Getränke oder Kaviar in der Suite. Silversea ist eine Ein-Klassen-Reederei, wo sämtliche Gäste denselben Luxus erfahren. Es gibt auch kaum ein Mitbewerber, die die Flüge in Europa inkludiert. Silversea ist zudem mit über 900 angelaufenen Destinationen weltweit die Luxus-Reederei mit dem weitaus grössten Reiseangebot.

Welche Märkte spricht diese Ausrichtung in erster Linie an?

Als europäisch-international ausgerichteter Luxus-Anbieter mit Sitz in Monaco liegt Nordamerika zwar mit einem Marktanteil von rund 50 Prozent an der Spitze, ist damit aber deutlich weniger dominant als bei Mitbewerbern. Grossbritannien und Australien sind die nächsten wichtigen Märkte, dann folgen bereits Deutschland und die Schweiz.

Wir sind sehr glücklich über die Entwicklung im Markt Schweiz und profitieren dabei von einer wichtigen und initiativen Vertriebslandschaft: Wir arbeiten sehr gut mit den auf Luxus spezialisierten Reisebüros und Agenturen zusammen.

Und wie positioniert sich Silversea im globalen Markt der Luxus-Kreuzfahrt?

Silversea ist heute mit einem globalen Marktanteil von 21 Prozent der grösste Luxus- und Expeditions-Kreuzfahrtenanbieter. Bis 2027 wollen wir auf 31 Prozent kommen, das heisst fast jeder dritte Luxus-Kreuzfahrtgast wird mit uns reisen. Das ist auch ein Signal an die Reisebüros, denn wir können dieses Wachstum nur in Partnerschaft mit unseren Agenturen erreichen. Die Reisebüros sind und bleiben unser wichtigster Distributionskanal, das ist strategisch so gewollt.

Sie haben es angetönt: Nicht nur im «klassischen» Hochsee-Bereich mit bald sieben Schiffen, sondern auch im Segment der spezialisierten Expeditionen ist Silversea ein führender Marktteilnehmer. Was sind hier die letzten Entwicklungen?

Nachdem wir die Silver Cloud und die Silver Wind eisverstärkt umgebaut und mit der Silver Origin ein neues Galapagos-Schiff in Dienst gestellt haben, konnten wir im letzten Jahr mit der Silver Endeavour aus der Konkurs-Masse von Crystal Cruises ein weiteres einmaliges Schiff erwerben.

Zwischen der Übernahme am 15. Juli und der ersten Fahrt am 15. November 2022 haben wir die Silver Endeavour mit verschiedenen Massnahmen auf Silversea-Standard gebracht, im April erfolgt nun der zweite Schritt der Transformation. So werden unter anderem weitere Suiten im Bereich der früheren Hubschrauber-Garage und des Casinos eingebaut.

Das heisst, Hubschrauber und U-Boote sind für Silversea kein Thema?

Nein, das passt nicht in unsere Philosophie. Wir verfolgen ein Ein-Klassen-Konzept und wollen nicht mit Zuschlagszahlungen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft bilden. Auch wenn der Hubschrauber täglich mehrmals starten würde ist es nicht möglich, allen Gästen einen Flug zu ermöglichen. Dasselbe gilt auch für Tauchausflüge mit einem U-Boot, auf die wir ebenfalls verzichten. Es ist zudem unser Bestreben, den Einfluss auf unsere bereisten Destinationen so klein wie möglich halten.

Letztes Stichwort: Der Krieg in der Ukraine, Inflation und Lieferengpässe – alles wird teurer. Wie haben sich bei Silversea die Preise im Vergleich zu Vor-Corona entwickelt?

Dazu gilt es festzuhalten, dass heute das Silversea-Angebot nicht mehr dasselbe ist wie vor Corona. Wir haben die Pandemie genutzt um im Rahmen unseres Projekts Invictus das Luxus-Erlebnis für unsere Gäste weiter aufzuwerten, so etwa im Bereich der Landausflüge, mit neuen Konzepten wie S.A.L.T und Otium oder dem Chauffeur-Service.

Auch wenn es auf Grund der erwähnten Entwicklungen da und dort in der Cruise-Industrie Anpassungen geben kann, ist das Preis-Leistungsverhältnis von Silversea weiterhin aussergewöhnlich und übertrifft die Luxus-Hotellerie an Land.

Interview: Beat Eichenberger