«Bleisure und Workation müssen klar abgegrenzt werden»

Die Business-Travel-Fachfrau Corinna Döpkens ordnet sie beiden Begriffe ein.
Das Hotelzimmer im Robinson Club Noonu auf den Malediven wird zum Home Office. ©TUI

Die Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmt zusehend. Vor allem bei Business Traveller. Bleisure und Workation sind die Schlagworte dazu.

In ihrer Dissertation an der Technischen Universität Dortmund will Corinna Döpkens den Realitäten hinter den beiden Begriffen auf die Spur kommen. Für Business Traveltip erklärt sie die ersten Ergebnisse.


Corinna Döpkens.

Sie haben eine Studie zum Thema Bleisure und Workation gemacht – ein neues Phänomen in der Arbeitswelt. Wie genau sind diese Begriffe schon definiert und voneinander abgegrenzt?

Tatsächlich werden die beiden Begriffe oft in einem Kontext genannt, teilweise sogar synonym verwendet. Beide Wörter beschreiben den Trend «Arbeiten & Reisen» zu verbinden, müssen jedoch klar abgegrenzt werden.

Workation (Kombination der Wörter Work und Vacation) bedeutet, dass für einen begrenzten Zeitraum im Ausland oder auch im Inland gearbeitet wird, meist in einer Urlaubsregion. Oft ist hier eine private Motivation wie Familie oder ein Feriendomizil der Hintergrund.

Bei Bleisure (Kombination der Wörter Business und Leisure) werden Dienstreisen mit privaten Interessen verbunden, sprich die ursprüngliche rein dienstlich veranlasste Reise wird z.B. privat um einige Tage verlängert.

In den Unternehmen beschäftigen sich mit diesen beiden Themen sogar oft unterschiedliche Abteilungen. Während Workation oft im HR angesiedelt ist, ist Bleisure ein klassisches Travel Management Thema. Sprich in den Unternehmen ist die klare Trennung schon vorhanden.

Operativ gibt es diverse Merkmale für die Abgrenzung wie die Kosten: eine Workation wird meistens komplett privat organisiert und gezahlt. Bei einer Bleisure Reise übernimmt der Reisende die Mehrkosten, während z.B. der Flug über die Firma bezahlt wird (sofern dieser mit privater Verlängerung nicht teurer wird).

Wenn ich also am Donnerstag und Freitag für die Firma unterwegs bin und am Wochenende noch in der gleichen Stadt bleibe – ist das Bleisure oder Workation?

Das ist klar Bleisure!

Was wollen Sie weiter herausfinden?

Wir möchten mit unseren Studien die Unternehmensseite beleuchten. Wie ist die aktuelle Situation in den Unternehmen (abseits von dem, was man in der Presse liest), welche Chancen und welche Herausforderungen sieht man? Warum wird das Thema in vielen Firmen eher als Problem eingestuft? Warum kommt es bei den Mitarbeitern oder in den Abteilungen zu Frustration oder Demotivation? Wie ist der tatsächliche Bedarf auf Seiten der Arbeitnehmer?

Sprich, wir möchten hinter die Kulissen schauen und Forschungslücken schliessen. Auch wenn man derzeitig viel über die Themen Bleisure und Workation liest, findet man kaum Publikationen, die in die Tiefe gehen. Eine wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung und ganzheitliche Betrachtung fehlen.

Welches sind die ersten Resultate?

Die Unternehmen sind sehr unterschiedlich aufgestellt. Einige haben schon genaue Prozesse und Richtlinien implementiert, in anderen Unternehmen wurden diese neuen und flexiblen Arbeitsmodelle noch gar nicht betrachtet. Bei einigen Gesprächen haben wir durch unsere Studie das Thema auf die Agenda gebracht. Andere schliessen z.B. Bleisure Travel weitestgehend aus.

Tatsächlich hätte ich erwartet, dass die Firmen in der Betrachtung des Themas weiter sind. Eine perfekte Lösung scheint niemand so recht parat zu haben, es gibt überall Lücken oder neue Aspekte, die noch gar nicht bedacht wurden.

Es bedarf viel Aufklärungsarbeit und Kommunikation.

Wer hat mehr davon, der Arbeitnehmer, der den Business Trip mit einem Freizeitaufenthalt verlängert oder die Firma, deren Mitarbeiterin in den Ferien mal einen Tag arbeitet?

Das erste Beispiel würde ich als Bleisure Travel einordnen und davon haben beide etwas. Der Arbeitnehmer ist motiviert, lernt die Kultur des (Business-)Landes kennen, ggf. ausgeruhter, da er einen Langstreckenflug nicht nur für ein Meeting auf sich nimmt… Alles Themen, die sowohl für den Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber positiv sind.

Beim zweiten Beispiel kann ich keine Einordnung vornehmen. Einen Tag zwischendurch arbeiten, stellt für mich keine Workation dar.

Was hat Sie am meisten überrascht?

Das Thema Reisesicherheit fällt oft unter den Tisch. Rechtliche, steuerrechtliche Aspekte etc. werden ausführlich durchleuchtet. An einen Notfall im Rahmen eines Bleisure Trips oder einer Workation denkt keiner. Teilweise kann keiner Auskunft geben, ob der Mitarbeiter durch das Unternehmen abgesichert ist oder ob er weiss, dass er privat Vorsorge treffen muss.

In diesem Bereich sind die USA viel weiter.

Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?

Neben den ganzen anderen neuen Aspekten ist hier viel zu tun in den Unternehmen. Gerade bei der Kommunikation besteht Handlungsbedarf. Mich wundert diese Lücke gerade in Deutschland sehr.

Wie sehen die rechtlichen Rahmenbedingungen aus, wo besteht Handlungsbedarf?

Dieses Thema haben wir bei den Studien eher aussen vorgelassen, da es schon so viele Betrachtungen, Artikel etc. dazu gibt und die Thematik in den jeweiligen Ländern individuell betrachtet werden muss.

Wo sehen Sie die grössten Stolpersteine?

Oftmals werden Aspekte nicht zu Ende gedacht. Rechtlich und steuerrechtlich wird alles geprüft, aber die «soft fact» werden nicht berücksichtigt, z.B. dass der Arbeitgeber auf einer Workation auch wirklich arbeiten kann, weil die passende Arbeitsumgebung oder Infrastruktur nicht vorhanden ist.

«Work from anywhere» ist eben auch nur begrenzt möglich. Oder die Richtlinie für Bleisure Travel ist operativ gar nicht oder nur mit einem hohen Aufwand umsetzbar. «Reden hilft» – oftmals wird die Kommunikation gescheut, weil das Thema sensibel und emotional ist.

Wie und wo braucht es Anpassungen in den Reiserichtlinien der Unternehmen?

Bleisure Travel ist in der Reiserichtlinie hinterlegt. Hier bin ich immer ein Freund von «Keep it smart & simple»: keine komplizierten und langen Ausführungen. Lieber ein paar Beispiele nennen. Oder ganz modern vielleicht ein animiertes Erklärvideo?

Workation habe ich noch in keiner Travel Policy gefunden. Dazu gibt es meist eine Betriebsvereinbarung.

Freizeit-Reiseveranstalter warben während der Corona-Pandemie mit Workation- und Bleisure-Angeboten. Hat das Zukunft im Freizeitbereich?

Für Workation meiner Meinung nach eingeschränkt, da das Angebot nur von einer kleinen Zielgruppe nachgefragt wird: Kosten, Lebenssituation etc. spielen hier eine Rolle. Wer kann sich schon 4 Wochen Hotel leisten und wo arbeitet man in einer Clubanlage, wenn man mit Kindern reist?

Bleisure Travel ist in meinen Augen eine klasse Chance: Anbieter können durch einfache Stellschrauben wie klare Kostentrennung oder zweites Frühstück für die Begleitperson inklusive sicherlich Zusatzgeschäft generieren.

Was halten Sie aus persönlicher Erfahrung von der Vermischung von Arbeit und Freizeit unterwegs?

Für mich ist und war das immer das richtige Modell, sowohl als Arbeitnehmer als auch später in der Selbständigkeit. Meine Diplomarbeit habe ich damals mit meinem Job als Flugbegleiterin bei der DLH im Layover und unterwegs geschrieben und habe dieses Arbeitsmodell früh für mich entdeckt.

Ich kann nicht immer an einem Ort arbeiten und eine klare Trennung von Arbeit und Freizeit wäre nicht möglich. Dafür muss man aber definitiv der richtige Typ sein und vielleicht muss es auch ein wenig trainiert werden.

Interview: Christian Maurer

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