«Der Skandal von Bern»

Die unabhängigen Reisebüro-Unternehmer drehen schier durch: Der Bundesrat hat vergangene Woche bestimmt, dass die Kurzarbeitsentschädigung eingestellt wird.
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Das ist Gift für die Reisebranche: Über 1000 Branchenprofis haben sich bei einer spontan ins Leben gerufenen Petition – mit prominenten Initianten – für mehr Gehör bei der Politik für die Anliegen der unabhängigen Reisebüros stark gemacht. Diese sind von den Massnahmen des Bundesrates vom vergangenen Mittwoch 20.5. im Rahmen der Lockerungen massivst betroffen, während die Büros der Ketten davon weniger oder gar nicht betroffen sind. Gerade die unabhängigen Retailer sind in ihrer Rechtsform entweder als GmbH oder als Selbständigerwerbende registriert und von der wegfallenden Kurzarbeitsentschädigung KAE stark abhängig.

Die Initianten der Petition schreiben: «Unsere Branche steht vor der grössten Herausforderung, die es je zu bewältigen gab. Viel Arbeit in der Krise liegt hinter uns Reisebüros und steht noch an, diverse Problemfelder der Branche haben sich dabei erhärtet – so kann es nicht weiter gehen! Lasst uns zusammenstehen und mit gebündelten Massnahmen die Reisebürolandschaft der Schweiz retten. Mit deiner Unterschrift unterstützt du Schweizer Reisebüros und setzt dich für die Zukunft unserer Branche ein.»

Die Petition stellt folgende Forderungen: «Gründung einer branchen- und verbandsübergreifenden Taskforce, um gemeinsame Lösungswege für die Probleme von uns Reisebüros zu erarbeiten. Kräfte bündeln, damit die Forderungen im Parlament und bei den involvierten Branchenpartnern Gehör finden.»

Vorgeschlagene Lösung

Und die Initianten äussern sich zu den sogenannten Painpoints: «Jeder einzelne Reisebüromitarbeitende hat in den letzten Monaten enorm viel gearbeitet und 0.00 Umsatz generiert. Unsere akuten Probleme sind:

  • Unbezahlter Mehraufwand für Repatriierungen = Kurzarbeit als ungeeignetes Instrument
  • Annullationen bereits gebuchter Reisen = Totalverlust der Marge
  • Rückerstattungspolitik der Leistungsträger = Liquiditätsprobleme
  • Staatlich verordnetes Berufsverbot durch Grenzschliessungen = Ungewisse Zukunftsperspektive

Mit-Initiantinnen der Petition sind übrigens auch SRV-Vorstandsmitglied Natalie Dové, sowie die DER Touristik/Kuoni Vertriebsleiterin Annette Kreczy.

Derweil reagiert auch der Schweizer Reise-Verband auf die enorme Zustimmung der Initianten und verweist auf die eigenen bisherige erfolgreiche Arbeit bei den Politikern. Er habe «Verständnis» und verstehe «die Ängste und Bedenken rund um unsere Branche», heisst es in einer SRV-Mitteilung an die Mitglieder, die von Präsident Max E. Katz, Politik-Vorstandsmitglied André Lüthi und Geschäftsführer Walter Kunz unterschrieben ist.

Der SRV will mit einer einzigen Stimme in Bern auftreten

«Wir begrüssen auch Initiativen und Ideen, wenn diese koordiniert sind und auf einem Kanal nach Bern transportiert werden», heisst es weiter. Und: «Nicht nachvollziehen können wir die Vorgehensweise der Initianten und die Forderungen nach einer ‚branchen- und verbandsübergreifenden Taskforce’». Dass «wir dies gemeinsam schaffen, haben wir während der Session unter Beweis gestellt und unsere Zwischenziele erreicht», meint der SRV.

Die von der «Aktion Mayday» gelisteten Painpoints seien längst von den einzelnen Verbänden zusammengetragen, erfasst und auch bereits beim Staatssekretariat für Wirtschaft Seco deponiert. Auch die geforderte «Taskforce» mit dem Brancheninteressensvertretern SRV, TPA und STAR sei bereits verbandsübergreifend installiert und tage auch diese Woche wieder zusammen mit dem Seco, dem Bundesamt für Justiz und dem Konsumentenschutz um einen möglichen Rettungsfonds und eine Anpassung des Pauschalreiserechts auszuarbeiten. «Wir sollten den eingeschlagenen Weg jetzt beibehalten und lösungsorientiert mit einer Stimme in Bern auftreten», so der SRV.

Statt vom «Wunder von Bern» – in Anspielung auf Deutschlands-Titelgewinn bei der Fussball WM 1954 – spricht ein aufgebrachter Reisebüro-Unternehmer gegenüber TRAVEL INSIDE vom «Skandal von Bern».

Die notrechtlich verordneten Massnahmen werden in Abstimmung mit den Lockerungsetappen zur Öffnung der Wirtschaft schrittweise aufgehoben.

  • Für Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung sowie mitarbeitende Ehegatten oder eingetragene Partner und Partnerinnen entfällt der ausserordentliche Anspruch auf Kurzarbeit auf Ende Mai.
    • Dies entspricht ungefähr dem Ende der COVID-Massnahmen für Erwerbsausfälle für direkt oder indirekt betroffene Selbständigerwerbende, die am 16. Mai aufgehoben wurden.
  • Zum gleichen Zeitpunkt erlischt auch der Anspruch auf Kurzarbeit für Lernende.
    • Im Vordergrund steht hier eine möglichst rasche Fortsetzung der Ausbildung.
  • Weiter wird auch die Voranmeldefrist wieder eingeführt. Diese wurde aufgehoben, da die verordneten Einschränkungen für Unternehmen nicht vorhersehbar waren. Unterdessen sind die bundesrätlichen Massnahmen bekannt und deren Auswirkungen auf die Betriebe besser einschätzbar.
    • Für die Unternehmen ist es somit möglich, die Voranmeldung unter Einhaltung der Voranmeldefrist vorzunehmen. Unternehmen, für welche Kurzarbeit bereits bewilligt wurde, müssen aufgrund dieser Anpassung kein neues Gesuch einreichen.»

Weitere Informationen unter: https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/seco/nsb-news.msg-id-79205.htm (TI)