Legal Matters: «Wie unser Recht auf Reisen geht»

Die Reiserecht-Kolumne von Dr. iur. Peter Krepper, Rechtsanwalt und Mediator.
Peter Krepper ©zVg

Was, liebe Reisebranche, soll ich Ihnen heut noch weiter raten? Nun gut, Sie haben ja nicht um Rat gefragt. Schreibe man aus intrinsischen Motiven hier eine weitere Kolumne: Legal matters? Das Recht zählt: allerdings! Derzeit belaufen sich die offenen Refunds, dies von Rechts wegen, auf Milliarden, welche Tour Operator hierzulande schulden. Übertrieben?

Es sind womöglich nur hunderte Millionen, welche Schweizer Reise-Unternehmen an Kunden erstatten müssen, unabhängig davon, ob sie selbst etwas, alles oder auch gar nichts mehr von den Leistungsträgern zurückerhalten. Bundesrätlich in die Wege geleitete Notkredite: sehr schön, das peppt dann wenigstens die Konkursmassen noch so richtig auf.

Dann nämlich, wenn die Kreditnehmer, was für viele Veranstalter zu erwarten sein wird, die Rückzahlungen nicht mehr bedienen können. Wir sehen also, das Recht zählt effektiv. Und zahlt sich immer aus, für einige. Zum Beispiel für mich, als Rechtsanwalt, der helfen darf, all die Scherbenhaufen wieder aufzuwischen, die nicht mehr einfach so verreisen werden.

Bevor Sie nun aber über (m)einen Zynismus klagen (was bellt der da herum, was beisst das mich?), mich gar für sarkastisch halten (der alte Hund beisst am Ende gar, wiewohl er nicht mehr schön zu bellen vermag, hat wohl ein Virus erwischt) – lassen Sie sich das geschrieben sein: Auch mir macht die Situation ausgesprochen keine Freude. Wertschöpfung?

Wir Dienstleister sind unser Geld gerne wert. Und damit ein Wort zur tieferen Motivation unserer Tätigkeiten: Wir arbeiten, nein nicht nur, weil wir es müssen (Lebensunterhalt), und weil es uns Freude macht (Lebens-Unterhaltung), sondern auch, weil man es von uns verlangt. Hierbei meine ich aber nicht Zwingli, Calvin und Co., kein ethischer Vortrag wird das.

«Man», das sind unsere Kunden. Ihre möchten weltweit verreisen. Sie nehmen unser Know-how gerne entgegen, und unsere geschäftlichen Kontakte, und, eben, unsere Arbeit für sie. Zahlt sich das aber nach dem geltenden Recht für Sie aus? Zwei Beispiele hierzu: Ein Kunde sagt eine gebuchte Afrika-Reise für August im April 2020 bereits ab, und bezahlt gar nichts.

Vor dem Friedensrichter meint er lapidar, es sei der TO gewesen, der hätte stornieren müssen, und den Schaden erleiden. Bald stehen wir gegen diesen Mann vor Gericht, ich berichte später weiter. Wäre ja noch schöner, wenn bei Kunden-Storno auch noch der TO von Rechts haftete. Der Mann wird das anderslautende Reiserecht – hoffentlich – nie mehr vergessen.

Im zweiten Fall geht es um ein mittelgrosses Schweizer Reiseunternehmen und sein ebenso versiertes und sympathisches Partner-Unternehmen im Nahen Osten. Jenes hat mich als Anwalt gebeten, die ihm verweigerten Refunds gegen das Unternehmen hier einzuklagen. Von Rechts wegen sähen die Chancen dafür gut aus, auch wenn so etwas dauert und einiges kostet (der Prozess lohnt sich bei sechsstelligen Zahlen und Obsiegen dann immer noch).

Nun erlaubt unser Reiserecht indes nicht nur private einvernehmliche Lösungen, solche, mit welchen beide Seiten ihr Gesicht wahren und ihr Unternehmen retten können. Mit der obligatorischen Schlichtung sieht es ein solches konstruktives Vorgehen sogar explizit vor. Das zahlt sich nach aller praktischen Erfahrung beinahe… immer auch aus, für alle Beteiligten!

In diesem Fall wollen die Parteien nun eine Mediation durchführen, was zum Glück auch via Videokonferenz-Tools gut möglich geworden ist. Dabei werden sie ihre gegenseitigen Ausgangslagen und Bedürfnisse besser kennen lernen, und verstehen, dass nicht der andere ihr Problem ist, sondern dass sie gemeinsam eines haben, das sie bestmöglich lösen wollen.

Bestmöglich heisst fair, so, dass beide Seiten hernach mit dem Gefühl weitermachen, dass man ihnen entgegen gekommen ist. Das ist die Wertschöpfung, die auch versierte Anwälte anpeilen für ihre Kunden. Wie Sie es tun für die Ihrigen, die Konsumentinnen, die Reisenden und also wiederum für uns alle. Eine Hand wäscht die andere, wie man so schön sagt.

Und auch, wenn wir uns derzeit unsere Hände wohl alle lieber selber waschen: nicht in Unschuld und auch nicht im Blut derer, denen es ob der äusserst schwierigen Lage auch nach dem Lockdown (ist das wohl vor dem Lockdown, dem nächsten?) bereits hochgekocht ist. Um damit noch kurz weiter im Bild zu bleiben (denn hier hilft uns mal die Metaphorik):

Besser kochen wir unsere Interessen nicht zu hoch, servieren unsere Rechnungen auf dem Plateau des Rechts, ok; und machen den Abwasch, verstanden als die «Drecksarbeit» des Aufräumens der Schäden, die das Nicht-Reisen derzeit verursacht, dann aber wenn immer möglich gemeinsam.

Ja ja, manche Anwälte sind auch ein Schiff und sind auch Pastoren, mitunter (Amen). Und Reisebüros Sozialämter. Aber dazu in der nächsten Kolumne mehr. Travel matters, auf alle Fälle. Kommen Sie gut nach Hause, oder eher: beste Grüsse zwischen unseren Home Offices.


 

Dr. iur. Peter Krepper lebt und arbeitet als Rechtsanwalt und als Mediator in Zürich.

Fragen an pk@ksup.ch