LH-Airlines wollen 75 Prozent selber verkaufen

Der Airline-Konzern vermeldet bessere Buchungseingänge und macht sich bei der Reisebranche unbeliebt.
© Lufthansa Group

Schlechte Nachrichten für die Reisebranche von der Lufthansa Group: Sie will den Direktvertrieb weiter kräftig pushen. Die Konzern-Airlines, darunter also auch Swiss und Edelweiss, sollen den Anteil der Buchungen auf den Direktkanälen von unter 50% im Jahr 2019 auf über 75% bis 2024 steigern. Den Reisebüros verbleiben dann auf den klassischen Buchungsplattformen gerade noch 25% an einem wahrscheinlich ohnehin kleineren Kuchen.

Für die Reisebranche verblasst so die frohe Botschaft über steigende Buchungen in den letzten paar Wochen. Die Lufthansa Group meldet für ihre Fluggesellschaften im Mai und Juni doppelt so hohe Neubuchungseingänge im Vergleich zum durchschnittlichen wöchentlichen Buchungseingang im März und April 2021.

Besonders stark gestiegen sei die Nachfrage nach europäischen Ferienzielen rund ums Mittelmeer und touristische Langstreckenmärkte mit begrenzten oder keinen Reisebeschränkungen. Unterstützt vom Anstieg der Buchungen erwartet der Konzern im zweiten Quartal 2021 einen positiven operativen Cashflow.

Die Lufthansa Group geht davon aus, dass die Passagieranzahl im Juni etwa 30%, im Juli etwa 45% und im August rund 55% des Vorkrisenniveaus erreichen werde. Dieser Trend unterstütze die Erwartung des Konzerns, im Gesamtjahr 2021 durchschnittlich rund . 40% des Kapazitätsniveaus von 2019 zu erreichen.

Das Personal trägt die Hälfte der Sparmassnahmen

Mit einem straffen Restrukturierungsprogramm will der Konzern  Bruttoeinsparungen von rund EUR 3,5 Mrd. bis 2024 (im Vergleich zu 2019) zu erzielen. Etwa die Hälfte soll schon bis Ende 2021 umgesetzt werden. Damit will sich die Airline-Gruppe auf «New Normal» einstellen.

Die Lufthansa Group erwartet, dass die Stückkosten (CASK ohne Treibstoff) der Airlines bis 2024 im Vergleich zu 2019 um einen niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentwert sinken werden. Die Haupttreiber für die Kostensenkungen sind die Senkung der Personalkosten, die Verschlankung des Betriebs und die Reduzierung der Gemeinkosten sowie die Modernisierung und Standardisierung der Flotte. Deren Modernisierung soll zur Halbierung des CO2-Ausstosses bis 2030 beitragen.

Allein beim Personal will die Lufthansa Gruppe ab 2023 rund EUR 1,8 Mrd. einsparen. Die Hälfte davon sei durch den Abbau von fast 26’000 Mitarbeitern seit Beginn der Krise bereits erreicht.

Zu den Massnahmen für die operative Verschlankung gehören die Schliessung von Sunexpress Deutschland, die Einstellung des Passagierflugbetriebs bei Germanwings sowie die Schliessung zahlreicher Basen und Standorte. Weitere Einsparungen soll besser betriebliche Effizienz bei Abläufen und in der IT bringen.

Eurowings Discover soll Edelweiss «ergänzen»

Die Lufthansa Group sei fest entschlossen, ihre Transformation zu beschleunigen um gestärkt aus der Krise hervorzugehen und Chancen für profitables Wachstum zu nutzen. Die Multi-Hub-Strategie bringe eine hervorragende Ausgangsposition, um von der erwarteten Erholung der Passagiernachfrage zu profitieren.

Die Lufthansa Group stellt sich weiterhin auf unterschiedliche Geschwindigkeiten in der Erholung der Nachfrage verschiedener Kundensegmente ein. So passt der Konzern das Angebot an eine erwartete langsamere Erholung im Geschäftsreisesegment im Vergleich zur Nachfrage im Ferien- und VFR-Bereich an.

In diesem Zusammenhang soll Eurowings seine Position als grösster Leisure-Carrier in Deutschland nutzen, um ein Profitabilitätsniveau zu erreichen, das dem der gesamten Gruppe entspricht. Eurowings Discover soll das Feriensegment in Deutschland erschliessen und damit «das bestehende Edelweiss-Angebot auf dem Schweizer Markt ergänzen» – was auch immer das für den Schweizer Ferienflieger konkret heissen mag.

Management-Umbau und Verkäufe

Im Zuge der Transformation wird der Konzern von einem integrierten Modell zu einem funktionalen Holding-Konzept übergehen. Dies verfolgt das Ziel, Entscheidungen zu beschleunigen, Komplexität zu reduzieren und eine effizientere Zusammenarbeit zwischen den Fluggesellschaften des Konzerns zu fördern.

Die organisatorische Trennung von Gruppen- und Lufthansa Airline-Funktionen ist ein Kernelement der Veränderung. Künftig wird sich die Matrixorganisation vor allem auf die Kernfunktionen der Airlines beschränken, um hier maximale operative Synergien zu gewährleisten.

Der Vorstand des Konzerns wird sich auf die Konzernstrategie, die strategische Kapitalallokation und die Wertschöpfung konzentrieren. Im Hinblick auf das Portfolio prüft der Konzern einen Teilverkauf der Lufthansa Technik. Für AirPlus und die LSG Group strebt die Lufthansa Group vollständige Veräusserungen an, sobald das Marktumfeld die Realisierung des fairen Wertes erlaubt.

Ehrgeizige Renditeziele und Kapitalerhöhung

Basierend auf der Transformation des operativen Modells, der Anpassung der Kostenbasis des Konzerns an «New Normal» strebe der Konzern bis 2024 eine Adjusted EBIT-Marge von mindestens 8% an. In Kombination mit einer disziplinierten Investitionspolitik und einem strikten Working Capital Management soll dies bis 2024 eine Rendite auf das eingesetzte Kapital (Adjusted ROCE ohne Cash) von mindestens 10% unterstützen.

Ausserdem hat die Lufthansa Group vier Banken mit der Unterstützung bei der Kalibrierung einer möglichen Kapitalerhöhung beauftragt. Der Nettoerlös würde insbesondere zur Rückzahlung von Stabilisierungsmaßnahmen des staatlichen Unterstützungsfonds WSF und zur Wiederherstellung einer nachhaltigen und langfristig effizienten Kapitalstruktur beitragen.

Der WSF erwäge, sich an einer möglichen Kapitalerhöhung ohne den Einsatz zusätzlicher Mittel zu beteiligen (Opération Blanche / Tail Swallow). Bei ihrer Umsetzung könnte der WSF möglicherweise Aktien bei Investoren platzieren und Bezugsrechte auf dem freien Markt während der Bezugsrechtshandelsperiode verkaufen.

Vorstand und Aufsichtsrat hätten noch keine Entscheidung über den Umfang und den Zeitpunkt einer möglichen Kapitalerhöhung getroffen. Zudem stehe die Genehmigung durch den WSF hierfür noch aus. (TI)