Nachhaltigkeit: mehr als Lippenbekenntnisse

Experten zufolge ist das Interesse der Kunden am Thema gross, die Nachfrage jedoch verhältnismässig klein.
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Die UNWTO zählte im vergangenen Jahr 1,323 Milliarden touristische Ankünfte weltweit. Das sind 84 Millionen bzw. 7% mehr als 2016. Dass dieses Mehr an Touristen auch Auswirkungen auf die Umwelt hat, liegt nahe. Während in den Sommermonaten einerseits das Thema Overtourism wieder aufkochte, wurde in den Medien auch vermehrt über die Umweltverschmutzung und insbesondere das Plastikproblem berichtet.

ERSTE MASSNAHMEN wurden schnell ergriffen. Manche Hotels und Reedereien verbannen Plastikröhrli, Kenia, Tansania, Uganda, Botswana und Südafrika sagen den Plastiksäcken den Kampf an und verbieten nicht nur deren Produktion im Land, sondern auch die Einfuhr.

DOCH WIE SIEHT ES mit den touristischen Playern in der Schweiz aus und wie sensibilisiert sind die Schweizer Touristen auf das Thema Nachhaltigkeit? TRAVEL INSIDE hat nachgefragt.

Welche Labels sind seriös?

Guten Gewissens empfehlen kann man z. B. Zertifizierungen, welche die Kriterien des Global Sustainable Tourism Council (GSTC) erfüllen. Eine Labelübersicht gibt es unter:
www.fairunterwegs.org/ vor-der-reise/labelfuehrer

Nathalie de Regt/Stephanie Günzler


STEPHAN ROEMER, CEO Tourasia
In unseren Katalogen und auf den Roadshows werden bewusst Angebote «off the beaten track» und Hotels mit Nachhaltigkeitsprojekten hervorgehoben. Für letztere haben wir bei Tourasia mit «Tourasia Eco» ein eigenes Label geschaffen. Ich glaube wirklich, dass diese Kombination aus Nachhaltigkeit, Sauberkeit und abseits der Massen bei den Leuten ankommt. Dies merkt man bereits jetzt im Kundenverhalten: Zu Bali etwa werden kritische Fragen betreffend Sauberkeit der Strände gestellt, während «Secondary Destinations» wie die Philippinen oder gewisse thailändische Inseln wie Ko Samed, Ko Chang oder Ko Kood stärker nachgefragt sind.

KAI LANDWEHR, Marketing Manager, Myclimate
Wir erleben den erfreulichen Trend, dass sich mehr und mehr Menschen mit den Klimafolgen ihrer Reisen auseinandersetzen und für diese durch das Kompensieren auch Verantwortung übernehmen. Insgesamt wird ungefähr 1 % aller Schweizer Flüge mit Myclimate kompensiert, zu denen auch Geschäftsflüge sowie organisierte Reisen unserer Partner aus der Reisebranche zählen. Überall dort, wo die Kompensation transparent und fest im jeweiligen Kaufoder Buchungsprozess integriert ist, wird sie von den Kunden auch sehr gut angenommen. Hotelplan Suisse und DER Touristik Suisse haben die Kompensation seit Jahren fix in ihre Verkaufsprozesse integriert. Bedauerlicherweise sind dies aber immer noch Ausnahmen. Wir plädieren dafür, dass die Kompensation im ersten Schritt in Buchungsprozessen so selbstverständlich angeboten wird wie Extragepäck, Menüvorlieben oder Reiseversicherungen. Im Sinne einer Kostenwahrheit sollten diese Beiträge im zweiten Schritt bereits im Reisepreis integriert sein, unter der Voraussetzung, dass die Mittel für konkrete Massnahmen vollumfänglich für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit eingesetzt werden.

MICHÈLE HUNGERBÜHLER, Nachhaltigkeitsbeauftragte, Hotelplan Suisse
Die Sensibilisierung ist klar merkbar, doch die entsprechende Nachfrage im Tourismus ist noch marginal. Das Interesse ist speziell bei den CO2-Kompensationen gestiegen. Myclimate ist den Leuten ein Begriff. Die Kompensationen unserer Kunden waren nach Tonnen gerechnet 2017 um 14% höher als 2016 (exklusive eigene Geschäftsreisen). In den Dossiers, die via HIT angelegt werden, ist ein freiwilliger Myclimate- Kompensationsbetrag integriert. Es ist uns wichtig, nachhaltige Hotels im Angebot zu haben. Hotelplan Suisse arbeitet hier z. B. mit der Zertifizierungsorganisation Travelife zusammen. Bei Travelhouse gibt es ein eigenes Ecology-Label, darunter werden Hotels aufgeführt, die eines der Labels des Labelguides – u. a. vom Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung (Akte) mitgestaltet – tragen. Mit Oceancare gibt es eine direkte – und seit Angebote mit in Gefangenschaft lebenden Delfinen und Walen bei Hotelplan Suisse nicht mehr aktiv angeboten werden – verstärkte Zusammenarbeit. Bei Risikogebieten für Kindersextourismus werden den Reiseunterlagen Flyer zum Kinderschutz beigelegt. Auch das gehört zum Thema Nachhaltigkeit.

EMMA ARVIDSSON, Head of Corporate Responsibility, DER Touristik Suisse Nachhaltigkeit ist in der Gesellschaft angekommen. Für viele Kunden ist es jedoch ein Thema, das sie mit ihrem Alltag und nicht mit den Ferien verbinden. Sie gehen auf dem Markt einkaufen, fahren mit dem Velo statt dem Auto und nutzen möglichst keine Plastiksäckli. In den Ferien vergessen sie teils die guten Vorsätze. Das Bewusstsein hat sich jedoch auch hier geschärft. Die Kunden fragen nach Ferien, wo sie die Natur geniessen können und sich mit der lokalen Bevölkerung auf Augenhöhe austauschen können. Somit wird von den Unternehmen vermehrt erwartet, dass sie ihre Verantwortung tragen. Bei DER Touristik Suisse sehen wir es als Chance, Partner in den Destinationen zu gewinnen, welche unsere Werte teilen. Neu ist das nachhaltige Engagement bei uns markenübergreifend organisiert und damit stärker strategisch verankert. Wir möchten die Nachhaltigkeit in alle Bereiche integrieren und Raum lassen für innovative Partner in den Destinationen. Bei Manta haben wir z. B. eine Partnerschaft mit Oceancare, Dorado unterstützt die Fundación Suiza Para Los Indígenas und die Freunde der Galapagos Inseln, Asia365 das Projekt Smiling Gecko in Kambodscha und Private Safaris Projekte der Vereine Freunde der Serengeti und Friends of Rhino

© Christian Dancker | saltyimages.ch

ANDREAS MEIER, Corporate Communications, Edelweiss Air
Wir sind überzeugt, dass viele kleine Schritte Grosses bewirken. Deshalb unterstützen wir die Aktion «World Clean-up- Day», zu der wir angefragt wurden, zusammen mit unseren Partnern. Wir fliegen an die schönsten Ferienziele dieser Welt und tragen eine Mitverantwortung gegenüber Mensch und Umwelt in der Schweiz und an den Zieldestinationen. Wir haben ein umfassendes CSR-Konzept, welches wir zusammen mit unseren Mitarbeitenden leben.

 

BIANCA SCHMIDT, Nachhaltigkeitsverantwortliche, TUI Suisse
Der TUI-Konzern hat 2015 die Nachhaltigkeitsstrategie «Better Holidays, Better World» lanciert und sich fünf Jahre Zeit für die Umsetzung gegeben. Ziel ist es, den ökologischen Fussabdruck unserer Kunden zu verkleinern, indem wir unsere Schiffe, Flugzeuge und Hotels möglichst energieeffizient betreiben. Zudem unterstützen wir mit unserer TUI Care Foundation soziale und ökologische Projekte in Ferienregionen – etwa einen biologisch und wirtschaftlich effizienten Weinanbau auf Kreta. Mit den TUI-Collection-Ausflügen können Kunden diese Projekte während der Ferien besuchen. Unseren Counter wollen wir aber noch vermehrt für das Thema sensibilisieren und haben im September den «Nachhaltigkeitsmonat» ausgerufen.