Das ETH-Spin-off Get your Guide wollte trotz der Pandemie-Krise auf Entlassungen verzichten. Die angelsächsisch geprägten Investoren aber forderten die Kündigung der Hälfte der rund 700 Angestellten, als das Geschäft der Ausflugsbuchungs-Plattform wegen Corona einbrach. Schliesslich wurden 90 Mitarbeitende entlassen. «Wir haben auf die Zeit nach der Krise fokussiert und die Entlassungen auf 15% der Mitarbeitenden begrenzt», zitiert die «NZZ am Sonntag» den CEO Johannes Reck.
Angestellte, die bleiben konnten, hätten «gegen Aktien auf Cash verzichtet», so Reck weiter. Die Hälfte der Belegschaft habe sich einen Teil des Lohnes in Firmenanteilen auszahlen lassen, als Akt der Loyalität.
Inzwischen ist der «Krieg um Talente» bereits wieder los gegangen und Get your Guide rekrutiert wieder. Allein in Zürich soll die Zahl der Entwickler auf 100 aufgestockt werden. Die Ingenieursausbildung an der ETH sei hervorragend und von dort werden gute Talente angezogen, erklärt Reck. Heute beschäftigt das Unternehmen wieder 650 Mitarbeitende.
Das Hauptquartier im Berliner Szeneviertel Prenzlauer Berg in einem historischen Umspannwerk bietet 900 Arbeitsplätzen. Die meisten Mitarbeiterden arbeiten derzeit im Home Office und hybride Arbeitsformen werden die Zukunft sein. Die Teams werden selber entscheiden, wann eine Zusammenarbeit im Büro sinnvoll ist. Trotzdem ist ein ansprechender Arbeitsplatz nicht nur Selbstdarstellung, sondern ein wichtiger Punkt bei der Suche nach raren Fachkräften.
In den USA läuft es schon wieder
Bis zum Ausbruch der Covid-19-Pandemie boomte die Plattform für Ausflüge und Aktivitäten. Nicht nur realisierte das Unternehmen seit der Gründung 45 Millionen Buchungen, sondern auch Investoren standen regelrecht Schlange. Rund USD 780 Mio., darunter der japanische Tech-Investor Softbank mit USD 484 Mio., kapitalisierten das Start-up. Vor zwei Jahren wurde Get your Guide mit mehr als EUR 1 Mrd. bewertet. Damit hatte die Firma ein gutes Finanzpolster, wozu nochmals rund EUR 200 Mio. durch eine Wandelanleihe und ein Bankkredit kamen.
Gemäss Reck ist die globale Ausrichtung beim überdauern der Krise hilfreich. In den USA und auch in Südeuropa laufen die Geschäfte wieder gut, denn die Nachfrage nach Erlebnissen im Heimmarkt ist stärker als zuvor. Gegenüber 2020 werde sich das Volumen mit vier Millionen Buchungen 2021 verdoppeln, nach dem vor der Krise sieben Millionen Buchungen verarbeitet wurden. Für 2022 rechnet Get your Guide mit einer starken Beschleunigung und hofft auf ein ausserordentliches Wachstum auf zehn Mio. Buchungen.
(Hans-Peter Brasser)
