«Reisebüro-Vertrieb gehört für Österreich immer noch zu den drei Hauptkanälen»

Lisa Weddig, CEO von Österreich Werbung, spricht im TRAVEL INSIDE Interview über ihre neue Position und die Zukunft der Feriendestination Österreich.
Lisa Weddig © TRAVEL INSIDE

Lisa Weddig ist mit Ende 30 wohl eine der jüngsten Führungskräfte der Branche. Seit Juni 2021 ist sie CEO von Österreich Werbung – das Land ist für sie aber nicht unbekannt. Seit 2015 arbeitete sie bei TUI Austria und war bis 2019 zuständig für Österreich und Osteuropa. In der Zeit lernte sie das Land kennen und lieben und es ist klar: Lisa Weddig ist gekommen, um zu bleiben. 

Lisa Weddig spricht im TRAVEL INSIDE Interview über ihre neue Position und gibt einen Ausblick auf die Zukunft der Feriendestination Österreich.


Lisa Weddig, CEO Werbung Österreich ©John Ross Group

Lisa Weddig, Sie sind seit 1. Juni Geschäftsführerin von Werbung Österreich –noch keine drei Monate und schon auf Tour in der Schweiz. Warum so früh, ist die Schweiz so wichtig?

Ich finde es ganz wichtig, das so früh zu machen, weil ich ein Gefühl dafür bekommen möchte, was unsere Kollegen in den Märkten tun. Unser Haupt-USP sind unsere 21 Auslandsbüros. Ich war vorletzte Woche in Ungarn, letzte Woche in Deutschland und jetzt also in der Schweiz.

Eine Deutsche vermarktet Österreich – ist das ein cleverer strategischer Schachzug, um die Deutschen Gäste anzusprechen?

Ich denke eher, dass es eine Entscheidung für die Person ist. Ich finde es schön, dass Österreich da modern ist und sagt, man ist international im Tourismus und daher schauen wir nicht auf die Nationalität. Dass die Sprache die gleiche sein sollte, ist ein wichtiger Punkt und natürlich hilft es, dass ich den deutschen Markt kenne. Das ist unser grösster Herkunftsmarkt mit 35% Marktanteil. Praktisch für meine persönliche Marktforschung ist, dass ich Freunde und Familie in Deutschland fragen kann, ob sie die Österreich Werbung sehen.

Nicht alle Austria-Insider finden dies toll – wie halten Sie dagegen?

Ach, es gibt immer solche und solche Menschen. Tourismus ist für mich international und ich fände es komisch, wenn man da über die Herkunft spricht.

Was hat Sie spezifisch an diesem Job gereizt?

Er ist deutlich komplexer als das, was ich vorher gemacht habe, weil wir die vielen verschiedenen Stakeholder in der Branche haben: Hotels, Kulturstätten, Wirtschaftskammer, diverse Partner im In- und Ausland usw. Mich reizt auch die Internationalität, mit Kontakten in 21 Ländern und dass der Tourismus in Österreich so einen hohen Stellenwert hat mit 15% Anteil am BIP.

Wie war der Wechsel von Outgoing zu Incoming?

Ich war überrascht, wie viele Parallelen da sind. Die Geschäftsführung umfasst Strategie, Personalführung, Budget, Marketing, Vertrieb… das sind alles Dinge, die ich vorher gemacht habe und für die ich jetzt auch verantwortlich bin. Von daher gibt es gar nicht so viele Unterschiede. Das eben genannte Stakeholder-Management ist der grösste.

Viele Berge, kein Meer – wie die Schweiz. Warum sollen Schweizer*innen nach Österreich in die Ferien?

Die grössten Argumente sind die Lebensart, das Lebensgefühl und die Herzlichkeit der Gastgeberinnen und Gastgeber. Alles ist ein bisschen entspannter und gelassener und nicht ganz so perfektionistisch. Das ist es, was der Gast bei uns liebt. Der zweite grosse Punkt, der auch von Schweizer Gästen sehr geschätzt wird, ist die Kulinarik. So hat Österreich eine Zertifizierung für Betriebe mit regionalen und qualitativ hochwertigen Produkten eingeführt und forciert die Regionalität z.B. auch auf den Frühstücksbuffets. Dafür bekommen wir gutes Feedback von den Schweizer Gästen.

Ist der Reisevertrieb für Österreich gar nicht so wichtig für die meisten Schweizer, weil die eher direkt selbst buchen?

Der Reisevertrieb ist sehr wichtig für uns. Man sieht aber natürlich auch, dass es durch die nicht-vorhandene Sprachbarriere einfacher für die Schweizer ist, direkt mit den Leistungsträgern in Kontakt zu treten. Das geht heute digital natürlich sehr unkompliziert.

Aber der Vertrieb über Reisebüros gehört für Österreich immer noch zu den drei Hauptvertriebskanälen: Reiseveranstalter, Online Travel-Agencies und Direktvertrieb. Tendenziell fällt etwas über die Hälfte auf Direktvertrieb, auf Veranstalter und OTA wird der Rest aufgeteilt.

Und worauf zielen Ihre aktuellen Marketing-Massnahmen und -Kampagnen ab?

Die Marketing-Massnahmen sind seit dem Opening Day am 19. Mai, als alle Betriebe gleichzeitig aufmachten, sehr wichtig. Der Wettbewerb um Urlauber aus Europa ist extrem hoch und unser Fokus ist es, mit grossen Kampagnen in diesem Wettbewerb sichtbar zu sein. Wir setzen ein Restart-Budget von 17 Millionen Euro ein – das ist für uns extrem viel. Zum Vergleich hatte die Nur-Sommer-Kampagne 2019 ca. vier Millionen Euro.

Aktuell sind wir bei unserer Sommer-Kampagne bei acht Millionen. Der Rest teilt sich auf in zwei Millionen für den Herbst und sieben Millionen Euro für den Winter. Am 21. September starten wir mit der Winter-Kampagne in 13 Märkten. Wir werden erstmalig einen Medien-Kick-Off machen, bei dem alle unsere 21 Länderbüros dabei sind. Das ist, was aus meiner Sicht gerade gebraucht wird.

Wie wollen Sie neue Zielgruppen ansprechen? Österreich spricht ja eher Kulturinteressierte, Wintersportler und Wanderer an – ist also eher nicht jung und trendy in der Wahrnehmung.

Der Durchschnittsurlauber in Österreich ist 50 Jahre alt. Schon letztes Jahr haben wir festgestellt, dass viel mehr junges Publikum nach Österreich kommt. Ich denke, dass wir auch für diese Zielgruppe Programme anbieten, die im Trend liegen, wie zum Beispiel Mountain Biking oder Hüttenwanderungen. Das sind Aktivitäten, die körperlich mehr anstrengen und die bei den jungen Gästen ziehen. Dazu gibt es gerade auch Familien, die unsere Badeseen schätzen, immerhin haben wir 25’000 Seen.

Wie bringen Sie das kampagnenmässig zu den Leuten? Heisst das, mehr Einsatz von Social Media und Influencern? Wie verteilen sich denn da die Anstrengungen und hat sich da auch durch und mit Corona etwas verändert?

Ein Grossteil unseres Marketingbudgets geht in Richtung digital. Wir setzen den Fokus auf Bewegtbild, vor allem in Social-Media-Kanälen. Im Marketing führen wir auch Microtargeting ein. Das bedeutet, dass wir dem potenziellen Gast aufgrund seines Verhaltens im Internet – also was kauft er, was sucht er – sehr spezifisch passende Werbung ausspielen. Das führt dazu, dass zum Beispiel der kulturinteressierte Zürcher etwas anderes zu sehen bekommt als der wanderinteressierte Berner. Marketing wird dadurch viel effizienter.

Braucht es eine zentrale Vermarktung der Alpenländer?

Es gab schon vor Corona gemeinsame Aktivitäten der DACH-Märkte. Ich finde das sehr sinnvoll und wichtig, denn in dem Fall steht Europa im globalen Wettbewerb mit Asien und Amerika. Es macht für mich Sinn, wenn wir da gemeinsam auftreten und es würde mich auch freuen, wenn wir das in der Zukunft tun. Ich habe mit Petra Hedorfer von der DZT und Martin Nydegger von Schweiz Tourismus ein DACH-Meeting, um uns auszutauschen.

Hat die grosse Öffnung am 19. Mai gebracht, was man sich erhofft hat?

Wie hatten super ansteigende Buchungszugänge – noch mehr als wir 2019 hatten. Dieser Anstieg hat uns gezeigt, dass die Nachfrage auf jeden Fall da ist. Die Menschen wollen Urlaub machen. Im Juni liegen wir bei -40% in den Übernachtungszahlen im Vergleich zu 2019. Entscheidend sind für uns Juli und August. Im letzten Jahr lagen wir ‘nur’ 11% hinter 2019 – die sind also auch im letzten Jahr schon sehr gut gelaufen und das sind die Monate mit unserem Hauptvolumen.

Leider haben wir noch keine Zahlen für den Juli. Was wir aus dem Markt hören ist, dass die Nachfrage recht gut ist, aber von Region zu Region unterschiedlich. Der Städtetourismus – zum Beispiel Wien – leidet sehr, die lagen im Juni bei -80% zu 2019.

Und wenn wir noch weiter in die Glaskugel hinein schauen für Winter, der ist auch wichtig für Österreich. Wie sieht es da aus?

Wir sind mit 50% Anteil beim Wintersport in Europa Marktführer. Die letzte Wintersaison hatten wir durch die Schliessungen -90% im Vergleich zu 2019. Das war das Worst-Case-Szenario. Die Betriebe tun alles, damit der kommende Winter bei uns stattfinden kann und wir sehen, dass die Buchungen so hoch sind wie noch nie zu diesem Zeitpunkt. Die Nachfrage ist da, man muss aber relativieren, weil die Stornobedingungen aktuell flexibler sind als sie es vor Corona waren.

Und was will Österreich tun, damit es kein zweites Ischgl gibt?

Wir sind das erste Land in Europa, das ganz strikt und klar die 3G-Regel eingeführt hat und sie auch lebt. Damit hatten wir am Anfang einen Nachteil, auch bei Schweizer Gästen. Man war es nicht gewohnt, nur als geimpft, getestet oder genesen in Restaurants und Hotels zu dürfen. Mit den wieder steigenden Inzidenzen ziehen die umliegenden Länder mit ähnlichen Regeln aber nach.

Sie gehen davon aus, dass das 3G-Prinzip auch noch eine Weile in Kraft bleiben wird?

Wir merken alle, dass Corona immer noch nicht weg ist und dafür brauchen wir Konzepte. Ich finde, dass 3G ein gutes Konzept ist. Wie sich das entwickelt, ist eine politische Entscheidung, dazu kann ich nichts sagen.

Profitiert ein Land wie Österreich von der faktischen Unerreichbarkeit vieler Ferndestinationen – Kärnten statt Karibik?

Aufgrund des aktuell geringeren Fernstreckenangebotes profitieren wir sicherlich alle in Europa.

Kann dies auch eine langfristige Entwicklung sein?

Wer schon lange nicht mehr in Österreich war – oder in der Schweiz – kann wieder einmal gezeigt bekommen, was wir können und wie unser Produkt ist. Unser Ziel ist es, zum Land für Haupturlaub zu werden. Urlauber gehen ja mehrere Male im Jahr auf Reisen und wir wollen, dass Österreich nicht nur als zweites oder drittes Ziel angefahren wird, sondern dass man zwei Wochen bleibt. Im Vergleich zu 2019 ist in diesem Jahr die Aufenthaltsdauer schon gestiegen: die Gäste verbringen um 15% längere Aufenthalte – das gilt auch für Schweizer.

Ein ganz wichtiger Faktor ist auch der Preis. Wie entwickelt sich denn die Preissituation aktuell?

Grundsätzlich hat Österreich für die Schweizer ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Wir entwickeln uns als Tourismus-Land in Richtung Qualitäts-Tourismus, was heisst, dass wir unser Angebot verbessern, dadurch aber auch die Preise steigen. Im Sommer gibt der Österreich-Gast durchschnittlich EUR 163 pro Nacht, im Winter EUR 185 aus. Die Schweizer sind bereit mehr zu bezahlen, ihr Schnitt liegt bei EUR 220.

(Interview: Christian Maurer, Luisa Schmidt)