«Reisebüros informierten falsch», sagt Konsumentenschützerin Stalder

Warum die Reisebranche im Corona-Jahr 2020 weit oben auf der Ärgerliste der Stiftung für Konsumentenschutz stand.
Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung Konsumentenschutz. © zVg

Die Corona-Pandemie hat die Reisebranche im vergangenen Jahr besonders hart getroffen. Seit März ist das Geschäft am Boden, statt neuen Buchungen gabs nur noch Stornos und Umbuchungen. Das sorgte auch bei den Kunden für viel Ärger, viel häufiger als sonst gingen Beschwerden gegen Reisebüros beim Konsumentenschutz ein.

Worum es dabei ging hat TRAVEL INSIDE bei der Konsumentenschützerin Sara Stalder, Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) nachgefragt. 


Frau Stalder, Probleme mit Reisen standen ganz oben auf der Ärgerliste der Konsumenten, die sich im Corona-Jahr 2020 bei Ihnen meldeten. Worüber ärgerten sich die Leute?

Die Kunden wurden sehr oft schlichtweg nicht richtig informiert. Reisebüros boten ihnen Gutscheine oder die Verschiebung der Reise an, verschwiegen aber, dass sie eigentlich das Recht haben, das Geld zurück zu erhalten. Klar, wenn das Reisebüro selber in Geldnöten steckt, ist diese Option schwierig, aber sie gehört rechtlich gesehen als dritte Möglichkeit trotzdem dazu. Einige Reisebüros informierten sogar falsch und behaupteten, die Option «Geld zurück» gebe es nicht. Da mussten wir auf Grund der rechtlichen Situation Klartext reden.

Reisen und Ferien konnten nicht stattfinden, aber die Reisebüros konnten nichts dafür.

Es ist für die Leute nicht so einfach zu sehen, wer woran genau “schuld” ist. Die Reisebüros haben eine sehr gute Ausgangslage in dieser aussergewöhnlichen Situation mit vielfältigen Reiseproblemen gehabt, weil sie ihre Kundschaft auffangen und betreuen können. Sie hätten ein Partner sein können, der Hand bietet und hilft.

Leider haben wir viele Meldungen von masslos enttäuschten und verunsicherten Leuten erhalten, die bei Reisebüros genauso aufgelaufen sind, wie wenn sie selber auf einer anonymen Plattform gebucht hätten. Das war für uns ziemlich überraschend und auch ernüchternd.

Wie war die Reaktion der Kunden?

Die Leute waren am Anfang orientierungslos, konsterniert und später wütend. Sie hatten mehrere hundert Franken oder sogar Tausende Franken für Urlaub oder eine Reise bezahlt und standen nun vor dem Nichts. Man muss sich bewusst sein: Ferien sind einer der grösseren Posten im Haushaltsbudget. Darum ist es nachvollziehbar, wenn der Unmut gross ist.

Negative Erlebnisse, denke ich, können auch für die Zukunft noch nachwirken: Die Leute werden sich fragen, weshalb sie überhaupt über ein Reisebüro buchen sollen, wenn man dort nicht einen Kundendienst erhält, der sich deutlich abhebt von anonymen Buchungsplattformen. Es gibt in der Reisebürobranche schwarze Schafe, die sehr kundenunfreundlich gearbeitet und damit der ganzen Branche geschadet haben.

Können Sie schwarze Schafe nennen?

Nein. Hätten wir den Überblick über die Branche, würde ich Namen nennen. Es gingen so viele Meldungen ein, dass wir uns in dieser aussergewöhnlichen Zeit auf die vielfältigen Problemstellungen fokussieren mussten und nicht, welche Anbieter diese verursachen.

Dann wenigstens so viel: Sind unter den schwarzen Schafen eher unabhängige Reisebüros oder Filialen grosser Veranstalter?

Auffällig ist, dass kleinere Anbieter eher bereit waren, eine für beide Seiten passende Lösungen zu finden. Das stellten wir übrigens auch in anderen Branchen fest. Seit Beginn der Krise haben wir den Konsumentinnen und Konsumenten geraten, sie sollen kulant sein und auch Hand bieten für ausgefallene Lösungen. Das Ziel müsse sein, dass beide Seiten sich zufrieden zeigten, auch wenn nicht alles dem Gesetz entspricht.

Darauf sind viele kleine Reisebüros eingestiegen. Bei mittleren und grösseren Reisebüros stellten wir eher eine Blockade-Haltung fest. Ob dies nur daher kommt, weil sie eigene Legal-Abteilungen haben, die bei jedem Entgegenkommen oder Abweichen vom Kleingedruckten einen Präzedenzfall fürchten, kann ich nicht beurteilen

Wer gab mehr zu Ärger Anlass, Internet-Anbieter oder Reisebüros?

Es war natürlich nicht nur die Kundschaft von Reisebüros betroffen. Sehr oft ging es auch um Einzelleistungen wie Flüge, welche die Leute selber über das Internet gebucht hatten. Ich kann nicht genau sagen, welcher Anteil höher war. Über den Daumen gepeilt halten sich die Reklamationen und Anfragen der beiden Sparten die Waage.

Reisebüros waren zwischen Hammer und Amboss, einerseits gab es die Kundenrückforderungen per sofort, andererseits haben die Leistungsträger das Geld nicht zeitnah an die Reisebüros zurückbezahlt. Ging es um solche Fälle oder reden wir hier von schwarzen Schafen?

Uns war klar, dass die Reisebüros in einer heiklen und schwierigen Situation waren. Sie hatten auch schon Geld ausgegeben und nicht zurückerhalten. Dafür hat die Politik nebst der Überbrückungshilfe eine spezielle Lösung gefunden, indem man den Reisebüros bis Ende letzten Jahres den Rechtsstillstand mit dem Betreibungsstopp gewährte.

Was soll die Reisebranche in Ihren Augen tun, damit sie dieses Jahr nicht wieder auf der Shit-Liste des Konsumentenschützer landet?

Es wäre jetzt an der Branche zu überlegen, wie sie Angebote ausgestalten kann, mit denen sie den Kunden Sicherheit bieten können. Die Leute werden nicht buchen, wenn sie unsicher sind, dass sie wieder Geld verlieren könnten. Das ist schwierig und eine ungewohnte Situation, deren Ausweg eine gewisse Kreativität und Weitblick voraussetzt.

Das Pauschalreisegesetz ist über 20 Jahre alt und entspricht nicht mehr der heutigen Reiserealität. Bieten Sie Hand für eine Änderung und wenn ja, welche?

Wir sind sehr froh, gibt es dieses Pauschalreisegesetz, auch weil es offen formuliert ist. So kann es Entwicklungen auffangen. Wir sehen überhaupt keine Notwendigkeit, etwas daran zu ändern.

Zum Schluss noch: Sie haben frühzeitig den Ärger der Konsumenten über die Reisebranche gesehen – haben Sie das auch mit den Branchenverbänden besprochen?

Wir stellten vor rund einem Jahr fest, dass eine riesige Reklamationsflut auf uns zu kommt. Die Reisebranche und den Reiseombudsman habe ich deshalb Anfang März  kontaktiert. Den Reisebüros empfahl ich, sich gut zu überlegen, wie sie auf Kundenanfragen und Reklamationen reagieren sollen.

Mein Appell war, dass die Reisebüros in dieser Ausnahmesituation viel gewinnen, aber auch viel verlieren können. Diese Meldung wurde – freundlich formuliert – ungern gehört. Unsere Warnungen wurden leider ignoriert, wie uns die darauffolgenden Monate lehrten.

(Interview: Christian Maurer)