Spotlight: «Ich weigere mich konsequent, Favela-Touren anzubieten»

Brazil Insider expandierte und ist neu unter Southamerica Insider in der Schweiz tätig.
zVg

Brazil Insider hat sein Länderangebot auf ganz Südamerika ausgeweitet – weshalb?

Die Kundennachfrage wurde immer grösser, und wir haben schon oft diverse Nachbarländer mit Brasilien verkauft. Wir sind viel durch Südamerika gereist, kennen die Länder gut und sind davon begeistert. Unser Sales & Product Manager Juan Gomez ist ein ausgewiesener Südamerika- Spezialist. Zusammen bringen wir grosses technisches Know-how, solide Kenntnisse und viel Herzblut für die Destinationen ein. Das stellen wir den Schweizer Reisebüros nun zur Verfügung, sei es in der Beratung oder im Verkauf. Zu 97 % vertreiben wir über Retailer. Aufgrund unserer Expansion hat unsere Schwestergesellschaft in der Schweiz nun einen Namenswechsel vollzogen: Brazil Insider ist im Handelsregister neu in die Southamerica Insider GmbH übergegangen.

Was unterscheidet Ihr Baukasten-Prinzip von anderen Spezialisten?

Southamerica Insider ist zu 100% unabhängig. Wir sind frei in allen Entscheidungen, ohne Einflussnahme von Hauptsitzen. Wir haben viele neue Produkte kreiert, lancieren diese exklusiv, und wir haben Unterkünfte und Touren bewusst mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Schweizer Marktes ausgewählt. Unsere Reisebausteine sollen als Ideengeber dienen und sind meist anpassbar. Wir schliessen überdurchschnittlich viele Leistungen ein und bieten wo immer möglich deutschsprachige Reiseleitungen an. In vier südamerikanischen Ländern arbeiten wir mit kleinen, inhabergeführten DMCs mit Schweizer oder deutschem Management. In Brasilien ist das unser eigenes DMC. In Argentinien, Uruguay und Chile sind wir mit bewährten Partnern unterwegs.

Bei welchen südamerikanischen Ländern sehen Sie das grösste touristische Potenzial?

Für Kolumbien gibt es ein grosses Interesse. Aber auch Argentinien wird trotz seiner Wirtschaftskrise dank des EDW-Direktflugs profitieren. Mit den beiden Hubs Rio und Buenos Aires wird es bequemer zu kombinieren. Peru und Bolivien sind klassische Reiseländer, Uruguay eine tolle Ergänzung. Brasilien ist nach wie vor begehrt: Es wird wohl etwa 80% unseres Volumens ausmachen. Südamerika ist ein Nischen-Markt und das macht es bei den heutigen Problemen mit Overtourism sehr interessant.

Ihr «Heimmarkt» Brasilien hat soeben mit Bolsonaro einen ultrarechten Politiker gewählt. Befürchten Sie negative Auswirkungen auf den Tourismus?

Die Wahl löst in Brasilien, im Ausland und auch bei mir als Schweizer Skepsis aus. Leider war in der Vergangenheit aber auch vieles nicht besser: Unter Präsident Lula und nach 13 Jahren Arbeiterpartei ging in Brasilien politisch und wirtschaftlich vieles schief. Es gibt soziale Probleme und politische Spannungen, sie belasten die Bevölkerung, aber sie tangieren die Touristen nicht. Diese wurden vom Volk in der Regel herzlich empfangen, das war selbst während der Militärdiktatur zwischen 1964 und 1985 so. Unsere Landschaften und das Volk bleiben auch unter einem neuen Präsidenten wunderbar. Als Doppelbürger wäre ich eigentlich berechtigt zu wählen, ich habe es aber bewusst unterlassen – diese Wahl widersprach meiner Vorstellung von Freiheit und Demokratie. Auch meine brasilianische Ehefrau hat ihren Stimmzettel leer eingelegt. Gleich haben rund 30% der Brasilianer entschieden – das ist ein stiller, aber starker Protest sowohl gegen die extreme Linke wie auch die extreme Rechte.

Bolsonaro wurde primär gewählt, weil Korruption und Gewalt grassieren. Wie gross ist das Problem für Touristen?

Ich halte es für gering. Das war auch schon unter Lula und Rousseff so. Sie regierten in den letzten 13 Jahren und müssen sich nun für ihre Fehltritte verantworten. Viele korrupte Politiker von links bis rechts sind unter Anklage, viele bereits im Gefängnis. Diese Aufräumarbeiten halte ich für positiv. Unter unseren Kunden, den Reisebüros, fragt kaum jemand nach einer neuen möglichen Gefährdung. Wir wissen, dass unsere Endkunden sich in Brasilien etwas vorsichtiger als in der Schweiz bewegen müssen. Man sollte gewisse Problemgebiete einfach meiden. Ich weigere mich daher auch konsequent, Favela-Touren in Rio anzubieten, dies aber v. a. aus ethischen Gründen.

ES