André Lüthi: «Eskalation des Ukraine-Konflikts würde sich auf Reisenachfrage auswirken»

Im zweiten Teil des Interviews mit TRAVEL INSIDE wirft André Lüthi einen Blick in die Zukunft der Globetrotter Gruppe und kommentiert den Putin-Ukraine-Krieg.
André Lüthi © TI

In diesem Folgeinterview äussert sich André Lüthi, Globetrotter-Präsident, zum Re-Start bei Globetrotter, der Digitalisierung und zu dem alle beschäftigenden Ukraine-Konflikt.


André Lüthi, wie geht es den Globetrotter-Unternehmen heute? Globetrotter ist ja traditionell stark in Überseezielen. Stellen Sie auch da eine nachhaltig steigende Nachfrage fest?
Seit ungefähr fünf Wochen, nach Aufhebung der Testpflicht für die Rückreise, hat es angezogen, primär Europa und Richtung Westen und Afrika. Asien ist immer noch sehr verhalten, da viele Länder noch nicht offen oder nur mit erschwerten Auflagen bereisbar sind. Aber langsam kommt es auch da zurück.

Ist die Globetrotter-Gruppe, die ja auch Mitarbeiter abbauen musste, für den Re-Start gerüstet? In personeller sowie in technischer Hinsicht?
Mittlerweile sind wir 170 Mitarbeitende weniger als 2019 und die grosse Herausforderung ist nun der Re-Start. Wir haben die Kosten auf ein Minimum reduziert, jedoch im April 2021 entschieden, dass wir nicht mehr weiter reduzieren können. Damit können wir auf einen guten und erfahrenen Mitarbeiterstamm setzen wenn es wieder los geht.

Die abgebauten, aber auch viele andere, Mitarbeitende haben die Branche verlassen, verdienen heute eventuell sogar besser und kommen nicht mehr zurück. Die grösste Herausforderung für Globetrotter und für die gesamte Branche wird es deshalb sein, Fachkräfte zu finden, um den Aufschwung abzufedern. Asien und Neuseeland sind noch nicht einmal offen und wenn diese Ziele auch noch öffnen, sehe ich schon gewisse Probleme auf uns zukommen – respektive zum Teil sind sie schon da.

Zudem ist das Problem, dass der Kunde heute drei Mal mehr Fragen hat als früher und der Aufwand pro Auftrag steigt. Gleichzeitig gewinnen wir Neukunden, die offenbar während der Pandemie merkten, dass es sicherer ist über ein Reisebüro zu buchen. An dieser Stelle ein grosses Kompliment an alle Mitarbeitenden, die unter den erschwerten Umständen jetzt alles geben um unsere Kunden ein unbeschwertes Reisen zu ermöglichen – die Freude am schönsten Beruf der Welt, Reiseberaterin oder Reiseberater, kommt zurück.

Für 2022 haben wir noch einmal ein Umsatzminus von 50% verglichen mit 2019 budgetiert. Aber um den Umsatz von 2019 wieder zu generieren, hätten wir die Leute im Moment gar nicht.

Wenn der Aufschwung kommt, aber die personellen Ressourcen fehlen, müsste man doch in die Digitalisierung investieren?
Unter dem Lead des Globetrotter Travel Service hat die Group Mitte 2019 das Projekt ‘Lotus’ gestartet. Dabei geht es um ein neues, eigenes Back- und Mid-Office-System mit diversen Schnittstellen, wofür wir sehr viel Geld sprachen. Es geht dabei primär darum die Effizienz der Mitarbeitenden zu steigern, damit mehr Zeit für die Beratung frei wird, die nachgelagerten Prozesse zu automatisieren und den digitalen Austausch mit den Kunden zu optimieren.

Die Mitarbeitenden sollen so viel Zeit wie nur möglich für die Kunden haben, denn es ist einfach so, dass es Menschen gibt, die den Kontakt suchen wenn es um ein Reiseprojekt geht und unsere Mitarbeitenden müssen die Zeit haben, diese kompetent zu beraten. Strategisch definierten wir, dass wir denjenigen Menschen als Kunden wollen, der die Beratung, ob im Reisebüro, per Telefon oder Chat, sucht. Wir sind kein Online-Anbieter bei dem die ganze Reise von A-Z gebucht wird; wir wollen mit den digitalen Möglichkeiten Emotionen wecken… die Sehnsucht nach fernen Ländern und Kulturen in die Stuben tragen…

Sie als Russland-Kenner, wie schätzen Sie die Konflikt-Situation Russland-Ukraine bzw. Russland-Westen ein? Rollt da bereits die nächste Krise auf die Branche zu?
Ich bin kein Experte, sondern rede da aus einem Bauchgefühl. Um einen noch grösseren Krieg zu verhindern darf der Westen einfach nicht militärisch eingreifen. Russland ist nicht nur Putin – es besteht eine Chance, dass das russische Volk ein Zeichen setzt und ihn und sein Umfeld zur Vernunft bring. Aber auf jeden Fall ist die Krise gefährlich und würde sich, bei einer Eskalation, bestimmt auch wieder auf die weltweite Reisenachfrage auswirken.

(Interview: Hans-Peter Brasser)