Fachkräftemangel: Rekrutieren auch im Ausland?

Die Reisebranche sucht nach neuen Möglichkeiten, Personal zu finden.
Speed-Rectruiting-Event Easybording. @DRV/Screenshot TI

Die Schweiz hat so wenig Arbeitslose wie seit 20 Jahren nicht mehr. Wer heute einen neuen Mitarbeiter oder eine neue Mitarbeiterin sucht, hat es entsprechend schwer. Der Markt ist ausgetrocknet, und wer eine neue Stelle sucht, kann auswählen.

Speziell die Reisebranche kämpft um Personal und sucht händeringend nach Reiseprofis. «Auch Hotelplan Suisse ist vom Fachkräftemangel betroffen», klagte etwa CEO Nicole Pfammatter in der jüngsten Ausgabe von TRAVEL INSIDE.

In Deutschland ist es ähnlich. Dort hat der Branchenverband DRV eine Veranstaltung lanciert, die in der Art von Speed-Dating Reisebüros und stellensuchende Reiseprofis zusammen bringt. Easyboarding verbindet Mitarbeitersuche mit Live-Events.

Offene Stellen werden zunächst auf dem Jobportal easybording.de ausgeschrieben. Daraufhin können Stellensuchende mehrere Termine an einem Speed-Recruiting-Event vereinbaren. Im persönlichen Austausch können sich die Firmen dann als interessante und attraktive Arbeitgeber präsentieren und alte oder neue Talente für sich begeistern.

Ein Konzept, das auch für die Schweiz tauglich wäre? Oder sogar eine Rekrutierungsplattform für Schweizer Reisebüros? TRAVEL INSIDE hat bei den grossen TO mit eigenem Vertrieb nachgefragt.

Ausländer im Anmarsch

Forsch geht es bei Knecht Reisen voran. «Es ist für uns eine Option, geeignetes Personal aus dem europäischen Ausland anzuwerben: Zu unseren Teams zählen bereits diverse Fachkräfte, die als Grenzgänger/innen aus Deutschland und Frankreich bei uns tätig sind. Wir haben bereits auch eigene Aktivitäten auf dem deutschen Markt angedacht», sagt Matthias Reimann.

«Wir sind offen, verschiedene Sourcing-Strategien auszuprobieren und erhalten regelmässig Bewerbungen aus dem Ausland (Deutschland, Österreich)», sagt Markus Flick von DER Touristik Suisse.

Die Rekrutierung von Fachkräften aus Deutschland und Österreich sei grundsätzlich spannend, heisst es bei TUI Suisse. «Aktuell sind wir jedoch noch nicht auf entsprechenden Veranstaltungen vertreten», sagt Mediensprecherin Sonja Ptassek. Auch Hotelplan Suisse findet «die Art der Veranstaltung als auch Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren grundsätzlich zwei spannende Gedanken». Man fokussiere «vorderhand jedoch darauf, unsere Fachkräfte in der Schweiz zu finden».

Schweizer TO wären dabei

Gäbe es eine entsprechende Speed-Recruiting-Veranstaltung in der Schweiz, wären wohl alle vier Grossen dabei. «Auf jeden Fall», erklärt Ptassek von TUI Suisse. «Eine Veranstaltung wäre vor allem sinnvoll, wenn sie mit vereinten Kräften branchenweit umgesetzt werden würde.» Ähnlich sieht man das bei DER Touristik: «Ich denke, in Zusammenarbeit mit unseren Tourismus-Schulen und dem SRV kann dies durchaus interessant sein», meint Flick, der auch den Branchenverband in der Pflicht sieht.

Auch Knecht Reisen wäre angesichts der angespannten Personalsituation «durchaus an der Teilnahme an einer vergleichbaren Veranstaltung, wie der DRV durchgeführt hat, interessiert». «Gäbe es eine solche Veranstaltung in der Schweiz, würden wir eine Teilnahme definitiv prüfen», heisst es auch von Hotelplan Suisse. Zielgruppe müssten allerdings «Personen sein, welche bereits Anknüpfungspunkte an die Reisebranche oder eine grosse Passion fürs Reisen haben».

Und die Quereinsteiger?

Also nichts für Quereinsteiger. Solche finden die grossen TO in der Schweiz «auf unseren klassischen Kanälen», wie Reimann sagt. Und «viele kommen auf uns zu», ergänzt Flick von DER Touristik. Das sind vor allem persönliche Netzwerke, Stellenausschreibungen und Schulen.

Als einziges Unternehmen hat Knecht Reisen ein eigentliches Quereinsteiger/innen-Programm lanciert. Es enthält neben der Arbeit im Betrieb einen schulischen Teil, den Fachkurs ‘Travel Advisor’ an der IST, Höhere Fachschule für Touristik und Outdoor in Zürich. «Zurzeit absolvieren sechs Kolleginnen aus unseren Reihen dieses Umsteiger/innen-Programm», sagt Reimann.

Christian Maurer