Was hat der Grieche mit den alten Cruiselinern vor?

Die Fährreederei Seajets hat sieben ausrangierte Kreuzfahrtschiffe gekauft.
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Im vergangenen Jahr haben aufgrund der Corona-Pandemie einige Reedereien ihre Flotten reduziert und ältere Einheiten verkauft. Dabei tauchte als Käufer ab und zu die griechische Fährreederei Seajets auf. Folgende Einheiten hat das Unternehmen inzwischen übernommen:

Queen of the Oceans: Die einstige Oceana (77’500 BRZ, 2000 Pax) wurde 2000 als Ocean Princess für Princess Cruises gebaut und 2002 von P&O Cruises übernommen.

Aegean Myth: Die vormalige Maasdam (55’450 BRZ, 1258 Pax), eine Einheit der Statendam-Klasse, war von 1993 bis 2020 bei Holland America Line im Einsatz.

Aegean Majesty: Die Veendam (55’820 BRZ, 1350 Pax) ist ein 1996 gebautes Schwesterschiff der Maasdam und war ebenfalls bis 2020 durchgehend bei HAL.

Aegean Goddess: Die vormalige Pacific Aria (55’820 BRZ, 1259 Pax) von P&O Australia wurde 1993 als Ryndam für HAL gebaut und wechselte 2015 zu P&O.

Columbus: Ein Schiff aus der Konkursmasse von CMV/Transocean (63’780 BRZ, 1550 Pax). Das Schiff wurde 1989 als Fair Majesty für Sitmar Cruises gebaut, war danach bei Princess, P&O Cruises und Ocean Village im Einsatz und kam 2017 zu CVM.

Magellan: Und noch ein ex-CMV-Schiff (46’050 BRZ, 1452 Pax). 1985 als Holiday für Carnival Cruise Line erbaut, kreuzte das Schiff später für Ibero Cruceros und stiess 2015 zu CMV.

Majesty of the Oceans: Inzwischen soll auch die von Royal Caribbean Int. im letzten Herbst verkaufte, 1992 als dritte Einheit der Sovereign-Klasse erbaute Majesty of the Seas (73’940 BRZ, 2354 Pax) bei Seajets gelandet sein.

Marios Iliopoulos.

In der Cruise-Industrie wird natürlich gerätselt, was Seajets mit all diesen Käufen vorhat. Seajets ist eine 1989 von Marios Iliopoulos gegründete Fährgesellschaft, die mit einer Flotte von High-Speed-Ferries und einigen RoRo-Fähren ab Piräus und Rafina die Kykladen und Kreta bedient. Die Familie war schon zuvor im Tanker- und Cargo-Geschäft tätig, aber nie im Cruise-Segment.

Ob Seajets die Aufnahme eines eigenen Kreuzfahrtbetriebs in der Aegäis anstrebt, wird von Beobachtern als fraglich betrachtet und wurde bis anhin von Iliopoulos auch nie in Aussicht gestellt. Der Aufbau einer entsprechenden Organisation wäre aufwendig und nicht über Nacht möglich. Allenfalls denkbar wäre eine Kooperation mit dem etablierten griechisch-zypriotischen Platzhirschen Celestyal Cruises. Dafür spricht etwa, dass die technische Betreuung der Seajets-Einheiten von Optimum Ship Management wahrgenommen wird, wie Celestyal ein Unternehmen der Louis-Gruppe.

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Iliopoulos, dem von Insidern eine gute Nase als «Asset Player» zugesprochen wird, eine andere Strategie verfolgt: Gelegenheiten beim Schopf packen, ältere Schiffe zu Schnäppchenpreisen erwerben und sie mit Gewinn wieder abstossen. Dafür spricht der Weiterverkauf der Magellan und inzwischen offenbar auch der Columbus an die Abwrackwerft in Alang in Indien zur Verschrottung.

Gemäss dem Shipping-Portal «TradeWinds» hat Seajets nach dem Konkurs von CMV/Transocean an der letztjährigen Auktion für die Columbus 5,3 Mio. US-Dollar bezahlt – der Abwrack-Wert soll bei rund 13 Mio. US-Dollar liegen. Die Magellan, die inzwischen bereits in Alang verschrottet wird, konnte Seajets für 3,4 Mio. US-Dollar übernehmen. Die Gewinnspannen aus diesen Transaktionen dürften für den smarten Griechen somit beträchtlich sein, was «TradeWinds» zur Feststellung bewegt, dass Iliopoulos wohl einer der wenigen Schiffseigner sei, der von der Pandemie profitiert.

Weitere Schiffs-Schicksale

Ende letzten Jahres hat TRAVEL INSIDE in einer umfangreichen Recherche sämtliche corona-bedingten Veränderungen der globalen Cruise-Flotten zusammengetragen. Inzwischen kam es mit Ausnahme der Pacific Princess von Princess Cruises (30’277 BRZ, 674 Pax), die im März an Azamara verkauft wurde und dort neu als Azamara Onward zum Einsatz kommen wird, zu keinen nennenswerten Flotten-Anpassungen mehr. Die Pacific Princess wurde 1999 als R3 für Renaissance Cruises erbaut und kreuzte seit 2002 als kleinstes Schiff der Flotte für Princess Cruises; bei Azamara stösst das Schiff nun auf drei weitere ehemalige R-Einheiten.

Nicht wegen Corona, sondern bedingt durch den Einsatz neuer Einheiten und der geltenden Kapazitätsbeschränkungen im Archipel, hat sich die Royal Caribbean Group Anfang Jahr von zwei Galapagos-Schiffen getrennt: Die Silver Galapagos wurde durch die neue Silver Origin ersetzt, die Celebrity Xperience durch die neue Celebrity Flora. Zu vernehmen war, dass die Xperience von der neuen griechischen Elixir Cruises übernommen wurde und als Elysium in der Aegäis kreuzen soll.

In den ersten Monaten dieses Jahres klärte sich zudem das eine oder andere zuvor noch ungewisse Schicksal abgestossener Schiffe: So handelt es sich beim vorerst unbekannten asiatischen Käufer der Empress of the Seas von Royal Caribbean Int. um die neu gegründete indische Reederei Cordelia Cruises, der Nachfolgerfirma der konkursiten Jalesh Cruises, deren Schiff Karnika (ex-Crown Princess) inzwischen abgewrackt wird. Und wie oben aufgeführt landete die Majesty of the Seas bei Seajets.

Auf bewegte Monate kann die Pacific Dawn zurückblicken, die im letzten Jahr von P&O Cruises Australia an Ocean Builders verkauft wurde. Geplant war unter dem Namen Satoshi der Einsatz als eine Art Start-Up-Plattform vor Panama, dann sprach man von Abwracken, nun wurde das Schiff von der neu gegründeten englischen Reederei Ambassador Cruise Line übernommen und in Ambience umbenannt.

Bestätigt wurde inzwischen das definitive Aus für die Marco Polo (CVM/Transocean) auf der indischen Abwrackwerft in Alang, ebenso der Ocean Dream von Peace Boat. Dasselbe Schicksal droht der Marella Dream und Marella Celebration, die bisher mit ungewisser Zukunft in Griechenland lagen. Wie zu erwarten war, endet die Costa Victoria auf der türkischen Abwrackwerft in Aliaga, ebenso die Boudicca von Fred Olson Cruise Lines (und wahrscheinlich auch die Black Watch). Damit erhöht sich die Zahl der wegen Corona verschrotteten Kreuzfahrtschiffe auf rund 20.

Beim einen oder anderen bekannten Schiff ist die Zukunft weiterhin ungewiss: Das gilt etwa für den legendären Oldie Astoria, dem 1948 als Stockholm erbauten bislang ältesten noch aktiven Kreuzfahrtschiff, das zuletzt bei der gescheiterten CMV/Transocean im Einsatz war. Oder für die bereits vor Corona von Pullmantur stillgelegte Zenith, die wie ihre seit dem Konkurs inaktive Schwester Horizon in Griechenland auf bessere Zeiten wartet. Beide Schiffe begründeten einst die erste Neubauserie für Celebrity Cruises.

Positive News gibt es hingegen von der RCGS Resolute, die nach einer langen und erfolgreichen Karriere als Hanseatic bei Hapag-Lloyd Cruises kurz für die inzwischen konkursite kanadische One Ocean Expeditions im Einsatz war. Das Schiff wurde von der neuseeländischen Heritage Expeditions übernommen und kommt ab nächstem Jahr als Heritage Adventurer zum Einsatz.

(Beat Eichenberger)