Wie ist der Garantiefonds durch die Pandemie gekommen?

Die Erholung des Reisegeschäfts und das neue Gebührenmodell trugen wesentlich zur Erhöhung der Rückstellungen für Schadensfälle bei.
André Dosé, Präsident des Garantiefonds der Schweizer Reisebranche.

Der Garantiefonds der Schweizer Reisebranche veröffentlicht im Anschluss an die Sitzung des Stiftungsrats vom 1. Juni 2023 seinen Geschäftsbericht 2022. Dieser steht im Zeichen der Erholung des Tourismus im allgemeinen und der Nachfrage nach Outgoing-Reisen im besonderen. Entsprechend beschloss der Stiftungsrat auch ein Rückvergütungsmodell.

Organisation

Die Organisation der Stiftung hat im Berichtsjahr einige Veränderungen erfahren. Auf der
Geschäftsstelle musste die langjährige Mitarbeiterin Anita Furrer ersetzt werden. Mit Olga
Torrealba konnte eine ausgewiesene Tourismus-Fachfrau für die Stelle gewonnen werden.

Im Stiftungsrat haben sich Rolf Helbling und Walter Güntensperger nicht mehr zur Wiederwahl gestellt. Beiden gebührt der aufrichtige Dank der Kollegen und der gesamten Branche für ihren langjähriger Einsatz. Als Nachfolger im Stiftungsrat wurden Stephan Roemer und Silvia Cornel für eine Amtsperiode von 3 Jahren gewählt.

Die bisherigen Stiftungsräte lic. jur. Rolf Besser, Heinrich Marti und Rolf Weber wurden für
eine weitere Amtsperiode von 3 Jahren als Stiftungsräte gewählt. Rolf Weber wurde zum
Vizepräsidenten des Stiftungsrates ernannt und Heinrich Marti wurde Mitglied des Finanzausschusses. Ausserdem wurde lic. jur. Till Gontensweiler für eine weitere Amtsperiode von 3 Jahren als Obmann der Beschwerdeinstanz gewählt.

Deutlich verbesserte Bonitäts-Noten

Die Ergebnisse der Bonitätsprüfungen im Jahr 2022 (Jahresabschlüsse 2021) zeigten wie
bereits im Vorjahr ein deutliches Minus beim Umsatz verglichen mit dem Vor-Pandemie-Jahr
2019. Dennoch konnte eine deutliche Verbesserung der Bonitäts-Noten unserer Teilnehmer
verzeichnet werden.

Die meisten Teilnehmer am Garantiefonds haben die Covid-Krise bisher auch dank den staatlichen Unterstützungsmassnahmen weitgehend erfolgreich gemanagt. Der Garantiefonds musste dementsprechend aufgrund der Bonitätsprüfungen nur vereinzelt Massnahmen zur Rekapitalisierung bzw. Sanierung verlangen.

Im Berichtsjahr war der Austritt von 21 Teilnehmer zu vermerken. Austrittsgründe waren
mehrheitlich Geschäftsaufgaben oder -übernahmen. Es ist anzunehmen, dass die Corona-Krise und der Fachkräftemangel die Marktkonsolidierung nochmals beschleunigt haben. Dennoch konnten auch im Krisenjahr 2022 insgesamt 12 neue Teilnehmer aufgenommen werden.

Jahr Teilnehmer Filialen / Brands Total
2022 431 509 938
2021 442 547 989
2020 455 561 1’016
2019 477 590 1’067
208 504 589 1’093
Schadensfälle

Im Jahr 2022 musste der Garantiefonds keine neuen Konkursfälle vermelden. Die Bearbeitung der Konkursfälle von STA Travel AG und Reisecenter Plus AG aus dem Jahr 2020 konnte abgeschlossen werden. Der Garantiefonds hat im Rahmen der Konkursfälle STA Travel AG und Reisecenter Plus AG mehr als 1’500 Dossiers bearbeitet und über CHF 2,5 Mio. an geschädigte Konsumenten ausgeschüttet.

Nach Abzug der hinterlegten Garantiesummen und den Konkursdividenden beträgt der Nettoschaden für den Garantiefonds rund CHF 1,5 Mio. Die verbleibenden Rückstellungen für die vollständige Abwicklung dieser Konkursfälle konnten bis auf CHF 100’000 für allfällige Nachforderungen aufgelöst werden und fliessen zurück in die allgemeinen Reserve.

Konkursfall STA Travel AG

Zum Abschluss des Konkursfalles STA Travel AG wurde auch das Gespräch mit dem Management der Diethelm Keller Group gesucht. Bei der Bearbeitung des Konkursfalles waren verschiedene Fragen aufgekommen, die im Gespräch mit Andreas W. Keller (Verwaltungsratspräsident Diethelm Keller Group), Angelo van Tol (CEO Diethelm Keller Group) und Rechtsanwältin Sabina Schellenberg geklärt werden mussten.

Diethelm Keller Group konnte glaubhaft darstellen, dass (leider erfolglos) bedeutende finanzielle Mittel in die STA Travel Gruppe eingeschossen wurden, um deren Überleben während der Corona-Krise zu ermöglichen.

Aufgrund der Komplexität der Gruppe war es scheinbar nicht möglich, den Konkurs für die Kunden und Partner besser vorzubereiten bzw. durchzuführen (z.B. Information der Konsumenten, Bereitstellung von Daten, usw.).

Es bleibt für den Garantiefonds unbestritten, dass sich die damalige Praxis der STA Travel AG bei den Kundenrückerstattungen negativ auf die Höhe der Schadenssumme ausgewirkt hat. Annulliert der Veranstalter die Reise vor dem Abreisetermin verlangt das Pauschalreisegesetz ausdrücklich die schnellstmögliche Rückerstattung aller bezahlten Beträge der Konsumenten.

Diese gesetzliche Forderung wurde nicht erfüllt, da die Entschädigung der Konsumenten über Monate hinweg verzögert wurde, u.a. mit dem Hinweis auf die noch ausstehenden Rückerstattungen der Lieferanten. Dass diese Praxis während der Corona-Krise auch von anderen Firmen angewendet wurde macht sie nicht weniger problematisch und es muss klar festgehalten werden, dass sie weder dem Geist noch dem Buchstaben des Pauschalreisegesetzes entspricht.

Jahresrechnung

Das Berichtsjahr war geprägt durch die Einführung des neuen Gebührenmodells, gültig per
1. Januar 2022. Die grundlegende Überarbeitung des Gebührenmodells war notwendig
geworden, weil das Fondskapital seit 2014 laufend geschrumpft war und nicht mehr den zu
erwartenden Risiken der nächsten Jahre entsprach.

Die Resonanz auf das neue Gebührenmodell war bis auf wenige Ausnahmen positiv. Ohne Frage hatte niemand in der Branche ein Interesse an Gebührenerhöhungen, dennoch bestand ein Konsens darüber, dass die Erhöhung des Fonds, aufgrund der latenten Risiken unbedingt erforderlich war.

Der Garantiefonds bedankt sich an dieser Stelle bei den Mitgliedern für das Vertrauen und die Unterstützung. Diese Zustimmung bestätigt, dass der Garantiefonds mit der Entwicklung des neuen Geschäftsmodelles, das den strukturellen Veränderungen des Marktes Rechnung trägt, auf dem richtigen Weg ist und weiterhin als wichtiger, systemrelevanter Bestandteil der Branche betrachtet wird.

Dank dem neuen Modell konnten die Teilnehmereinkünfte, die im Jahr 2021 um fast 50% gegenüber dem Jahr 2020 gefallen waren, wieder deutlich angehoben werden. Das positive Ergebnis wird vollständig den Reserven für zukünftige Schadensfälle zugefügt.

in CHF 2021 2022 Budget 2022
Teilnehmereinkünfte 660’455 2’424’396 1’605’000
Einkünfte Ombudsmann 3’200 2’300 20’000
Finanzertrag 463’346 -572’399 50’000
Übrige Einkünfte 0 251’105 0
Total Ertrag 1’127’001 2’105’402 1’675’000
Personalaufwand -662’729 -624’431 -683’000
Geschäftsstelle -161’205 -130’643 -133’300
Stiftungshonorare -97’804 -88’504 -90’000
Rückversicherungsaufwand -211’200 -211’200 -211’200
Weitere Aufwendungen -94’459 -101’112 -117’500
Total Aufwand -1225’397 -1’163’089 -1’235’000
Ergebnis vor Schadenszahlungen -98’397 942’313 440’000
Auflösung von Verbindlichkeiten aus Schadenfälle 1’050’932 1’451’196
+/- Schadensrückstellungen 952’535 2’393’509

 

Positiv hat sich in der Bilanz auch der Abschluss der Konkursfälle STA Travel AG und Reisecenter Plus AG ausgewirkt. Die mit diesen Fälle verbundene Dossiers konnten im Jahr 2022 abgeschlossen werden und die noch verbleibenden Rückstellungen grösstenteils aufgelöst werden.

Die bilanzierte Rückstellung für zukünftige Schadenfälle beträgt nun CHF 6’619’211, was einer Zunahme von CHF 2’393’509 gegenüber dem Vorjahr entspricht. Zusätzlich zu diesen Rückstellungen stehen dem Garantiefonds zur Bewältigung allfälliger Konkursfälle noch unternehmensspezifische, individuelle Garantieleistungen im Wert von über CHF 70 Mio. (Bankgarantien, Versicherungsgarantien und Sperrkonti der Teilnehmer) sowie per 01.01.2023 eine neue Rückversicherungslösung für Grossfälle von maximal CHF 9.0 Mio., kumuliert über eine Zeitspanne von 5 Jahren, zur Verfügung.

in CHF 31.12.2021 31.12.2022
Total Bankguthaben 1’530’768 3’050’369
Forderungen gegenüber Teilnehmern 0 3’138
Guthaben Verrechnungssteuer 17’795 13’187
Aktive Rechnungsabgrenzung 439’226 572’338
Wertschriftendepot 3’905’680 3’350’174
Umlaufvermögen 5’892’472 6’989’209
Anlagevermögen 3 3
Total Aktiven 5’892’472 6’989’209
Verbindlichkeiten aus Schadenfällen -1’565’000 -100’000
Übrige kurzfristige Verbindlichkeiten -42’985 -6’693
Vorausbezahlte Teilnehmerbeiträge -41’785 -245’305
Passive Rechnungsabgrenzung -7’000 -8’000
Rückstellung auf zukünftige Schadenfälle -4’223’602 -6’979’209
Stiftungskapital -10’000 -10’000
Total Passiven 5’892’472 6’989’209

 

Folgerung und Ausblick

Mit der steigenden Nachfrage nach Ferien im Ausland näherte sich die Branche bereits im
Jahr 2022 langsam wieder der Normalität an. Bei den schon eingereichten Jahresabschlüssen 2022 konnte eine deutliche Erholung der Umsätze beobachtet werden, die sich langsam wieder dem Vor-Corona Niveau annähern.

Gemäss Auskünften verschiedener Branchenvertreter konnten sich vor allem klassische Badedestinationen wie Griechenland oder die Balearen erholen, Pauschalreisen sind wieder sehr beliebt, auch wenn sie meistens noch relativ kurzfristig gebucht wurden.

In der zweiten Jahreshälfte kam auch die Nachfrage nach Erlebnisreisen sowie nach individuell zusammengestellten Reisen langsam zurück. Das Reisen wurde wieder vielfältiger und tendenziell wurde mehr für Ferien ausgegeben als noch vor der Pandemie.

Mit dem Wegfall von Einreisebestimmungen an zahlreichen Destinationen weltweit, kehrte auch die Nachfrage nach Fernreisen wieder vermehrt zurück. Die Öffnung der Fernreise-Märkte nach USA, Kanada und Thailand war diesbezüglich eine wichtige Entwicklung.

Das einigermassen gute vergangene Geschäftsjahr und die positiven Entwicklungen in Richtung mehr Normalisierung stimmen den Garantiefonds zuversichtlich, dass sich die Nachfrage in der Schweiz trotz unsicheren Rahmenbedingungen auch im Jahr 2023 weiter erholen wird. Die Buchungseingänge sind zwar noch nicht auf dem Niveau von 2019 und erfolgen nach wie vor deutlich kurzfristiger als vor der Pandemie, jedoch spürt man, dass die Reiselust der Kundinnen und Kunden nach wie vor gross ist und der Nachholbedarf nach Corona noch nicht gestillt ist.

Die Unsicherheit rund um den Ukraine-Krieg, der starke Franken und die Kaufkraftentwicklung beschäftigen die Branche jedoch weiterhin. Insgesamt ist der Garantiefonds erfolgreich durch die Pandemie gekommen und kann zuversichtlich in die Zukunft blicken. Per Ende 2022 ist die Rückstellung für zukünftige Schadenfälle beim Garantiefonds deutlich höher als während der Pandemie.

Die Einführung des neuen Gebührenmodells hat wesentlich zu dieser notwendigen Erhöhung beigetragen. Die befürchteten Schadensfälle sind glücklicherweise ausgeblieben und die Umsätze der Teilnehmer haben sich rascher erholt als erwartet. Die Erholung des weltweiten Tourismus sollte der Branche insgesamt ein erfolgreiches 2023 bescheren und somit, sofern neue Konkursfälle ausbleiben, auch die erforderlichen Reserven beim Garantiefonds weiter anwachsen lassen. (TI)