Stolz auf die Erschöpfung

Karriereberaterin Hanne Bergen widmete sich am Event Management Circle in Zürich dem Thema Stress.
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«Wer sich verläuft, soll stehen bleiben.» Diesen Merksatz gab Referentin Hanne Bergen den Zuhörern am Event Management Circle mit auf den Weg. Die Karriereberaterin aus Hamburg war mit einem Vortrag zum Thema «Stress lass nach» ins Park Hyatt Zürich gekommen und deckte zahlreiche Fehler auf, die der Mensch in Zeiten der Überbelastung gerne begeht.

Der grösste ist die Überaktivität. «Wenn wir in Stress geraten, machen wir alles auf einmal, wir gehen in die Aktivität, obwohl es in dem Augenblick vielleicht besser wäre, nichts zu tun», so Bergen. «Schärfen Sie den Fokus, entscheiden Sie sich für etwas», rät sie. Multitasking funktioniere nicht, weder bei Männern noch bei Frauen.

Tunnelblick und dickes Blut

Die Gründe für die körperlichen und geistigen Reaktionen auf Stress seien v.a. biologischer Natur und hätten sich aus dem Zeitalter vererbt, als der Mensch noch gegen wilde Tiere kämpfen musste. Tunnelblick, Muskelanspannung, verdicktes Blut, langsamerer Stoffwechsel und ein feineres Gehör sorgten einst dafür, dass man sich voll auf Kampf oder Flucht einstellen konnte. Hält dieser Zustand jedoch zu lange an, sprich, hat man Dauerstress, sind diese Körperreaktionen nicht gesund. Herz-/Kreislauf-Probleme (verdicktes Blut) oder Rückenschmerzen (Daueranspannung) sind die Folge.

Interessant ist auch die psychologische Erklärung Bergens für das Phänomen, warum der Mensch sich beruflich so gerne überlastet. «An die Stelle des Werkstolzes ist der Erschöpfungsstolz  getreten», analysiert die Expertin. «Wir wollen stolz sein auf unser Tagwerk. Und weil wir nicht mehr zu fassen kriegen, was wir tun, arbeiten wir so lange, bis wir total erschöpft sind. Das gibt uns das Gefühl, dass wir viel getan haben.»

Die Verstehbarkeit des eigenen Tuns sei darum wichtig. «Die Menschen müssen auf der richtigen Position arbeiten, Sinnhaftigkeit verspüren und eine Aufgabe haben, die ihren Werten entspricht», weiss Bergen. Anerkennung sei ebenfalls wichtig. «Diese braucht man von anderen – dem Chef oder den Kollegen, aber auch von sich selbst.»

Das hilft bei Stress
Bergens Tipps gegen Stress lauten deshalb:

• Möglichst kurz nach der Stresssituation  Entspannungsübungen machen. Ausschütteln der Hände, Gähnen, Dehnen.
• Viermal die Woche 40–45 Minuten schnell gehen. Kein Stress beim Sport.
• Adrenalinwellen auseinanderziehen: Jede Stunde ein bis zwei Minuten Pause machen.
• Sich bewusst machen, was man leistet. Am Abend Resümee ziehen.
• Sich selbst und anderen Anerkennung aussprechen.
• Sich fit halten. Wer fit ist, kommt schneller vom Stress in den Ruhepuls zurück.
• Aufeinander aufpassen: Bleibt der Kollege plötzlich immer länger? Macht er mehr Fehler als normal? Kommt er nicht mehr mit zum Feierabendbier?
• Führungskräfte müssen auch auf  sich selbst achten. Ein Chef, der immer bis nachts arbeitet, ist auch Stress für die Mitarbeitenden.
• Nimmt man jemanden aus einem Projekt heraus, um ihn zu schonen, sollte man dies nicht ohne vorherige Absprache mit ihm tun.
• Anderen zeigen, dass sie wichtig sind. ◆ www.eventcircle.ch