Cruise-Industry: Der Pandemie-Schock ist noch längst nicht ausgestanden

Die Grossreedereien schreiben weiterhin Verluste, der Restart verläuft schleppend – und weitere Cruise-News vom TRAVEL INSIDE-Kreuzfahrtexperten.
Die Nachfrage zieht erst zögerlich wieder an. ©BE
Beat Eichenberger, TI-Cruise-Spezialist

Die noch längst nicht überwundenen Schwierigkeiten der Cruise-Industrie spiegeln sich in den kürzlich kommunizierten Quartalszahlen der grossen börsennotierten Cruise-Gesellschaften, die kumuliert über 80% der globalen Kapazitäten kontrollieren. So meldete Carnival Corporation für das dritte Quartal des laufenden Jahres einen Verlust von USD 2,8 Mrd., Royal Carribbean Group ein Minus von USD 1,3 Mrd. und Norwegian Cruise Line Holdings schrieb rote Zahlen in der Höhe von USD 845 Mio.

 

Ungenügende Auslastungen

Diese Zahlen sind insofern von Interesse, weil sich darin nun eigentlich der Restart spiegeln sollte. Im Gegensatz zu den europäischen Reedereien, die schon länger wieder aktiv waren, konnten die grossen US-amerikanischen Marken ihren Betrieb erst im Laufe des Sommers wieder aufnehmen. Eine nachhaltige Trendwende zeichnet sich aber in den Zahlen (und auch im Vergleich mit den vorangehenden Quartalen) noch kaum ab. Allerdings ist erst rund die Hälfte der Flotten wieder in Betrieb, und der Restart ist kostenintensiv.

Vor allem aber: Die Nachfrage zieht erst zögerlich wieder an, wie dies auch bezogen auf den Schweizer Markt Cornelia Gemperle, Geschäftsführerin von Kuoni Cruises, im Interview mit TRAVEL INSIDE offen und ehrlich erklärte: «Die Lage ist weiterhin dramatisch». Eine Aussage, die wohl stellvertretend für andere Cruise-Spezialisten und Märkte gilt und die auch von den Reedereien bestätigt wird: Die Schiffe sind noch längst nicht maximal möglich ausgebucht. Royal Caribbean etwa spricht von einer mittleren Auslastung ihrer aktiven Einheiten von 44%, Norwegian von 57%. Dies alles reicht noch längst nicht, um die Zahlen nur annähernd wieder ins Lot zu bringen.

Die Gründe für den zögerlichen Restart liegen auf der Hand: Noch wagen sich längst nicht alle potenziellen Kunden, die sehr wohl an Seereisen interessiert sind, an Bord grosser Schiffe mit Tausenden von Passagieren auf die Weltmeere zurück. Das Virus provoziert weiterhin Befürchtungen, obwohl die Reedereien mit ihren rigiden Schutzmassnahmen längst bewiesen haben, dass Kreuzfahrten sicher sein können. Aber auch die umständlichen Einreisevorschriften der angelaufenen Destinationen verunsichern – mindestens eine doppelte Impfung wird heute auch von den meisten Reedereien verlangt.

Vom Boom- zum Schockjahr

Die unglaublichen Dimensionen des Wellentals, in das die Cruise-Industrie durch die Pandemie gestürzt wurde, zeigt noch deutlicher ein Zahlenvergleich zwischen dem letzten Vor-Corona-Boomjahr 2019 und dem dramatischen Shutdownjahr 2020. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass 2020 noch die ersten zwei, drei aktiven Monate bis zum Shutdown in die Abschlüsse reinspielten. Einige wenige Schiffe europäischer Marken wagten sich im Sommer 2020 zwar wieder aufs Wasser – Tropfen auf den heissen Stein der laufenden Kosten der Unternehmen, die sich um Refinanzierungen kümmern mussten. Hier die Eckdaten:

Carnival Corporation: Das grösste Cruise-Konglomerat betreibt aktuell 87 Schiffe unter den neun Marken Aida, Carnival, Costa, Cunard, Holland America Line, Princess, P&O Cruises, P&O Australia und Seabourn. 2019 erzielte Carnival Corporation einen Umsatz von USD 20,825 Mrd. und ein Netto-Ergebnis (Ebit) von USD 2,989 Mrd. Im Jahr 2020 sank der Umsatz auf USD 5,594 Mrd. und als Netto-Ergebnis resultierte ein Verlust von USD 10,230 Mrd.

Royal Caribbean Group: Die Nummer zwei, die Royal Caribbean Group, betreibt 60 Schiffe unter den Marken Royal Caribbean International, Celebrity Cruises, Silversea und den Beteiligungen TUI Cruises (mit Hapag-Lloyd Cruises). 2019 erzielte die Gruppe einen Umsatz von USD 10,951 Mrd. und einen Ebit von USD 1,9 Mrd. Im Jahr 2020 sank der Umsatz auf USD 2,209 Mrd. und das Unternehmen fuhr einen Verlust von USD 5,775 Mrd. ein

Norwegian Cruise Line Holdings: Die Norwegian Cruise Line Holdings betreibt 28 Schiffe unter den Marken Norwegian Cruise Line, Oceania und Regent Seven Seas Cruises. 2019 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von USD 6,462 Mrd. und einen Ebit von USD 930 Mio. Im Jahr 2020 sank der Umsatz auf USD 1,29 Mrd. und der Verlust betrug USD 4,012 Mrd.

Ergänzend noch der Blick auf einen weiteren grossen Player: Hinter MSC Cruises, die als Familienunternehmen keine Zahlen veröffentlichen muss, steht eine starke Cargo-Mutter, die in den Pandemie-Monaten offenbar gute Resultate erzielen konnte. Dies erlaubte es, «die herausfordernde Situation weitgehend selber zu meistern und sich innerhalb der Gruppe selbst zu refinanzieren», wie es Sebastian Selke, Geschäftsführer MSC Cruises Schweiz, in einem Exklusiv-Interview mit TRAVEL INSIDE formulierte.

Wie die weiteren, fast durchwegs kleineren und ‘unabhängigen’ Reedereien über die Runden kommen, ist kaum transparent. Nicht selten stehen aber auch hier starke Finanzstrukturen im Hintergrund, und ein äusserst rigides Kostenmanagement dürfte überall die Norm sein. Dies erklärt wohl auch, dass es ausser der spanischen Pullmantur – an der zudem Royal Caribbean beteiligt war -, der englischen CMV – mit der deutschen Marke Transocean – im letzten Jahr oder kürzlich dem asiatischen Flussreisespezialisten Pandaw bislang nicht zu weiteren namhaften Konkursen kam.


Hier weitere aktuelle, noch nicht gesondert gemeldete News aus der weiten Welt der Schiffsreisen:

©Aida Cruises

Aida setzt auf Festtagszauber. Ende Oktober hat die Aida Prima ihr neues Routing ab/bis Hamburg nach europäischen Metropolen in Angriff genommen. Bis April 2022 stehen insgesamt 26 einwöchige Winter- und Frühlingskreuzfahrten auf dem Programm. Zur Advents- und Weihnachtszeit verwandelt sich das Sportdeck des Schiffs in einen festlich geschmückten Weihnachtsmarkt, inklusive einer 200 qm grossen Eisbahn. Am 14. Dezember startet die Aida Nova mit einem Winter-Wonderland wieder ab Hamburg, und auch die übrigen Aida-Schiffe haben ihre Winterreviere bezogen. Sämtliche Schiffe, die nun Fahrt in Nordeuropa, im Mittelmeer, in den Kanaren, in der Karibik und im Orient aufgenommen haben, warten über die Festtage mit speziellen Unterhaltungsprogrammen und Attraktionen auf.

MSC passt das Saudi-Routing an: Das Routing der neuen einwöchigen Kreuzfahrten der MSC Bellissima ab Djeddah (Saudi-Arabien) im Roten Meer wurde kurzfristig angepasst: Safaga (Aegypten) fällt wegen drohender Einstufung als Hochrisikogebiet weg, dafür legt das Schiff eine Übernachtung in Yanbu ein, Ausgangspunkt für den Besuch von Al’Ula. Und neu ist der Hafen von King Abdullah Economic City (KAEC) im Programm, Ausgangspunkt für den Besuch von Medina. Akaba (mit Petra) wird wie geplant angelaufen. Saudia Airlines hat übrigens auch ab der Schweiz den Flugplan auf die Daten der MSC Bellissima angepasst.

Celebrity Edge ©Celebrity

Celebrity mit einem Strauss von Goodies. Für die bis zum 13. Dezember 2021 getätigten Buchungen einer Kreuzfahrt mit Celebrity Cruises zahlt die zweite Person für Abfahrten zwischen dem 1. Dezember 2021 und 30. April 2023 nur die Hälfte (ausser Galapagos sowie Vor- und Nachprogramme in Alaska). Zudem hat die Reederei ihr «Cruise with Confidence»-Versprechen mit Bestpreisgarantie und flexiblen Stornierungsbedingungen bis zum 17. Dezember 201 verlängert. Weitere Goodies sind Preisnachlässe auf An- und Abreisepakete in Europa und der Karibik, und auf Karibik- und Bermuda-Abfahrten gibt es keinen Aufpreis für die Kabine zur Alleinbenutzung mehr. Getränke, Wifi und Trinkgelder sind bei Celebrity immer im Reisepreis inbegriffen. Aktuell sind 10 der 14 Schiffe der Flotte im Einsatz.

Princes und Carnival bieten Test-Zustupf. Carnival Cruise Line und Princess Cruises bieten Passagieren aus den deutschsprachigen Märkten ein Sponsoring des für den Antritt einer Kreuzfahrt notwendigen Corona-Tests. Dabei werden bei Buchung einer mindestens einwöchigen Kreuzfahrt bis 30. November jeweils CHF 50 für maximal zwei Personen pro Kabine vom Reisepreis abgezogen.

Havila Capella ©Havila

Havila nimmt den Betrieb auf. Mit der Inbetriebnahme der Havila Capella nimmt Havila, der neue Anbieter auf der norwegischen Postschiffroute, am 1. Dezember den Dienst auf. Die Havila Capella verfügt über 179 Kabinen und verschiedene Restaurants, ein Hydro-Antrieb mit Batteriespeicher ist vorhanden. Die Routen führen von Bergen nach Kirkenes und wieder zurück. Preferred Sales Agent in der Schweiz ist Glur Reisen in Basel.

De Hoop-Werft ist insolvent. Die Corona-Krise hat die bekannte niederländische Werft De Hoop in die Knie gezwungen. Das traditionsreiche Werk hat sich unter anderem mit dem Bau von Flussschiffen, darunter auch für Schweizer Reedereien, einen Namen gemacht. Auch die zwei neuen Galapagos-Schiffe von Silversea, die Silver Flora und die Silver Origin, wurden dort erbaut. Stornierte und fehlende Aufträge haben De Hoop nun in die Insolvenz getrieben.

Carnival taufte die neue Mardi Gras. Der Neubau war zwar bereits seit Juli auf Fahrten mit Passagieren unterwegs, doch erst kürzlich wurde die Mardi Gras in ihrem Heimathafen Port Canaveral getauft, Taufpatin war Kimberley Jimenez, Miss Universe aus der Dominikanischen Republik. Das jüngste und grösste Schiff von Carnival (5200 Pax) ist gleichzeitig der erste Cruiseliner dieser Reederei, der mit LNG (Flüssigerdgas) betrieben wird. Eine Novität ist die Achterbahn an Bord.

Silver Dawn © Silversea

Silversea übernimmt die Silver Dawn. Silversea hat mit der Silver Dawn die dritte Einheit der Muse-Klasse (2017 Silver Muse, 2020 Silver Moon) übernommen. Das von der Fincantieri-Werft in Ancona erbaute Luxusschiff ist mit 40’844 BRZ vermessen und kann in 298 Suiten maximal 596 Passagiere aufnehmen. Auf der Silver Moon lanciert die Reederei mit Otium ein neuartiges Wellness-Programm. Das auf der Silver Moon eingeführte kulinarische S.A.L.T.-Konzept ist ein weiteres spezielles Element. Die ersten Reisen mit zahlenden Gästen werden im Frühling 2022 erfolgen.

Oceania und die nächste Next-Phase. Mit dem Neustart der Marina und Riviera, die bereits wieder auf den Weltmeeren unterwegs sind, läutet Oceania Cruises die nächste Phase des flottenweiten Oceania-Next-Programms ein. Diese umfasst ein erweitertes Kulinarik-Angebot auf den Kabinen und Suiten, neue Weinproben sowie ein Soufflé des Tages im The Grand Dining Room.

Polar-Survival Camp ©Ponant

Ponant übte den Polar-Notfall. Mit dem neuen Eisbrecher Le Commandant Charcot der Polarklasse 2 wagt sich Ponant in die abgelegensten Eiswelten vor. Dies erfordert auch neue Massnahmen in Sachen Sicherheit. Kürzlich hat die Reederei nun die weltweit erste internationale Rettungsübung in einer entlegenen Polarzone durchgeführt, an der auch verschiedene Länder beteiligt waren. Dabei mussten 67 Teilnehmer unter anderem ein Polar-Survival Camp aufbauen und den neuartigen Ice Cube testen, eine Art Survival-Kit, der das mehrtägige Überleben in Eiswüsten garantiert.

Royal Caribbean Group verkündet «Net Zero». Die Royal Caribbean Group hat eine umfassende Dekarbonisierungs-Strategie bekannt gegeben mit dem Ziel, Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu erreichen. Einer der ehrgeizigsten Meilensteine ist die bis 2035 geplante Auslieferung eines Netto-Null-Kreuzfahrtschiffs, das auf alternativen und zugänglichen Kraftstoffen und Technologien basieren soll. Bereits zuvor, nämlich im Sommer 2023, wird Silversea mit dem Projekt Evolution ein Hybrid-Schiff in Dienst nehmen. Der langjährige CEO Richard Fain tritt übrigens Anfang Januar von seinem Posten zurück und übergibt das Steuer an Jason Liberty, bisher CFO.

Regent-Suite der Seven Seas Grandeur ©RSSC

Baustart für die Seven Seas Grandeur. Auf der Fincantieri-Werft in Ancona fand mit dem Stahlschnitt der Baubeginn für die neuste Einheit von Regent Seven Seas Cruises statt, die Seven Seas Grandeur. Das Luxus-Schwesterschiff der Seven Seas Explorer und Splendor ist identisch mit 55’500 BRZ vermessen und auf maximal 750 Passagiere ausgerichtet. Zur Wahl stehen 15 Suiten-Kategorien, darunter eine palastartige 413 qm grosse Regent Suite. Die Auslieferung des Neubaus ist auf November 2023 terminiert.

World Voyager präsentiert 2022/23. Das Expeditionsschiff World Voyager von Nicko Cruises hat das Programm für die Saison 2022/23 vorgestellt. Nebst klassischen Zielen entlang der west- und norddeutschen Küste sowie im Mittelmeer oder rund um die Kanaren steuert das Schiff auch besondere Reiseziele wie die Azoren und Kapverden sowie in der Karibik und in Mittelamerika an. Im Norden Europas sind ausserdem neue Expeditionsreisen nach Spitzbergen, Grönland und Island im Programm.

Hurtigruten Expeditions stellt 2023/24 vor. Mit dem grössten Programm ihrer Geschichte geht Hurtigruten Expedition für die Saison 2023/24 an den Start. Drei Schiffe in der Antarktis mit insgesamt 34 Reiseterminen, drei Schiffe auf der abenteuerlichen Nordwest-Passage (darunter die zwei neuen Hybrid-Schiffe Roald Amundsen und Fridtjof Nansen), neue Expeditionen abseits der ausgetretenen Pfade in Alaska oder Spitzbergen, Island und Grönland sind einige der Höhepunkte.

(Beat Eichenberger)