Feedback: «Ich gewinne keine Erkenntnis»

TRAVEL INSIDE-Leser Alberto Moreno kommentiert die TI-Umfrage zu André Lüthis Nachhaltigkeitsforderung.

Alberto Moreno, 4144 Arlesheim

«Dass dieser Text nicht als ‘Publireportage’ deklariert ist, überrascht mich sehr. Wieso ich diese Umfrage entsprechend einordnen würde, möchte ich begründen. Es gibt dazu zwei Punkte, die genauer betrachtet werden sollten. Das Zitat von André Lüthi und die Umfrage, die mit 73% eine grosse Zustimmung und Einigkeit in der Branche suggeriert.

Ich gehe mal davon aus, dass die Journalist*innen von der ‘Jungfrau Zeitung’ das Zitat korrekt wiedergegeben haben, das im TRAVEL INSIDE aufgenommen wird. Da wird geschrieben: ‘André Lüthi findet, dass ein Grundrecht auf Ferien nicht existiert…..’ Wer würde da nicht zustimmen! Ich frage mich, wird das Wort ‘Ferien’ in diesem Zusammenhang bewusst genutzt?

Für Ferien existiert zumindest im Arbeitsrecht ein Anspruch für alle Arbeitnehmer*innen. Ich müsste mich irren, wenn in irgendeinem GAV (Gesamtarbeitsvertrag) ‘Reisen’ steht, wenn ‘Ferien’ gemeint sind.

Der Satz muss heissen: Es existiert kein Recht auf Reisen.

Die Reisefreiheit hingegen wird schon seit langer Zeit vor allem dann beschnitten (in beiden Richtungen), wenn ein Land sich abschottet. Reisen ist tatsächlich kein Recht, sondern eine Freiheit. Diese soll nun also gemäss der Umfrage eingeschränkt werden mit einer Zustimmung von 73%. Wollen wir das tatsächlich?

Falls dieser Unterschied zwischen Reisen und Ferien richtig ist, dann komme ich jetzt zu meiner Theorie. Das Wort ‘Ferien’ kann von André Lüthi unbedacht genutzt worden sein. André Lüthi hat einfach vermeiden wollen, das Wort aus dem Slogan seines Unternehmens Globetrotter in diesen Zusammenhang zu setzen. Noch schlimmer aus der Lüthi-Globetrotter-Sicht wäre «Fernreisen» in diesem Zusammenhang.

Eine zweite Möglichkeit ist die bewusste Beeinflussung der Leser:innen des Interviews. Indem das Wort ‘Ferien’ in Zusammenhang mit dem Problem des ‘overtourism’, ‘Wasserveknappung’ und ‘Grossprojekte’ gesetzt wird, wird es in einen negativen Rahmen gesetzt.

Dieser bewusste Einsatz von Begriffen gehört für mich zu ‘framing’. Ferien werden in diesen Rahmen gesetzt, gelten als problematisch und bedürfen einer Einschränkung. Ich persönlich finde Ferien nur gut. Reisen und insbesondere Fernreisen sind eher sowohl mit ‘overtourism’ in Verbindung zu bringen als auch Gegenstand der Kritik in Bezug auf die Nachhaltigkeit. Da ‘kein Recht auf Reisen existiert und noch weniger auf Fernreisen’, ist es für alle Reiseveranstalter essenziell, sich auf die Veränderungen einzustellen. Ohne diese kritische Betrachtung ist der Artikel für mich eine Publireportage, da ein Unternehmer, der als Pionier noch immer das Gesicht seines Unternehmens ist, eine Werbeplattform erhält.

Die Umfrage nutzt lobenswerterweise den Begriff ‘Reisen’, lässt jedoch über etwas abstimmen, was schon existiert. Es gibt slots für unzählige Hotspots. Darunter Sehenswürdigkeiten (Sagrada Familia, Eiffelturm etc.), für Gebiete (Nationalpärke, Bettenangebot in Städten etc.) und sogar ganze Länder (Buthan fällt mir ein), die Beschränkungen unterliegen. Ich denke Touristiker*innen können eine unendlich lange Liste erstellen. Was soll genau noch stärker kontingentiert werden? Wer soll darüber bestimmen?

Ich behaupte zum Inhalt der Frage gibt es keine Konsensrealität. Was ist der Wert des Ergebnisses? Für mich sicher nicht, dass die Reisebranche geeint hinter irgendjemand oder irgendwas steht. Ich gewinne keine Erkenntnis ausser, dass offenbar ein Problem besteht.
Ich wünsche mir in TRAVEL INSIDE mehr selbstkritische Reportagen und Interviews in denen nachgefragt wird, mit Umfragen, die relevant sind. Davon könnte auch die Reisebranche profitieren, denn es gibt keine einfachen Antworten für komplexe Themen.

Nachhaltigkeit ist eine der komplexen Herausforderungen der Branche und verdient eine differenzierte Betrachtung. Es lohnt sich in einer Fachzeitschrift zu inserieren, die eine Aussensicht auf Tourismus-Unternehmen bieten kann. Dafür darf man sich auch gerne einmal kritisch betrachten und hinterfragen lassen. Auf dass die Fachzeitung für die Reisebranche an Tiefe gewinnt.»

Alberto Moreno