«Für die Herbstferien gibt es noch genügend Kapazitäten»

Die Türkei ist eine der wichtigsten Reiseziele: Welche Auswirkungen haben Pandemie und zuletzt Waldbrände? Bentour-Chef Deniz Ugur nimmt Stellung.
Deniz Ugur, CEO Bentour © TI

Deniz Ugur, haben die Waldbrände in der Türkei zu vielen Stornierungen oder zu weniger Buchungen geführt?

Ich war in der Zeit der Waldbrände auch direkt vor Ort. Daher konnte ich mir selbst ein Bild machen. Ich war über die deutsche Berichterstattung äusserst irritiert. Ein grosses Berliner Medienhaus hat fett «Antalya brennt» getitelt: Ich war live vor Ort und habe in Belek und Lara den blauen Himmel genossen und konnte keinen Bezug zu dieser Überschrift finden.

Aus diesem Grund bin ich weiter in Richtung Side gefahren. Dort gab es tatsächlich Waldbrände, allerdings nur auf regionaler Ebene. Als Türkei-Spezialist war es mir dann auch wichtig, diese Informationen den Nachrichtenhäusern weiterzugeben. Danach konnte jeder sehen, dass es zwar in Side ein Problem gibt, aber viele andere Regionen um Antalya nicht von den Bränden betroffen sind.

Insgesamt waren die Brände ungefähr anderthalb Wochen aktiv. Gottseidank waren keine Hotels davon betroffen. Es gab in Bodrum einzelne Fälle, wo die Brände nahe an die Resorts kamen, letzten Endes ist aber kein Hotel zu Schaden gekommen. Insofern ist diese Krise in der Krise auch schon wieder vorbei.

Viele türkische Touristiker beklagten, dass der Tourismus unter den Bränden leide – haben Sie nichts davon gemerkt?

Jetzt sicher nicht mehr. Und es gab auch nicht so viele Stornierungen, was das betrifft. Die wichtige Frage diesbezüglich ist, weshalb es überhaupt zu Waldbränden kommt. Das ist ja nicht nur in der Türkei ein Thema. Die unglaubliche Trockenheit auf der einen Seite und dann der wahnsinnige Regen in Europa.

Grundsätzlich sind Regentage in der Schweiz das Beste, was einem Outgoing-Touristiker passieren kann, weil immer, wenn es ein Wochenende lang regnet, folgt eine Buchungswelle. Das Thema Klimawandel steht aber über all dem.

Was sagt denn Bentour zum Klimawandel?

Wir als gesamte Touristik sollten alles Mögliche tun, um den Klimawandel zu stoppen. Zum Beispiel sollte es einen Event im Stil eines WEF mit den Airlines geben.

Die Touristik kann das Problem nicht allein lösen. Ein Veranstalter kann zwar beispielsweise auf Kataloge verzichten, dies ändert aber nur wenig. Veranstalter müssen ihre Vertriebspower nutzen, um auf die Airline Industrie Druck auszuüben, damit diese Entscheidungen treffen bessere Flugzeuge zu bauen bzw. zu kaufen. Hier reden wir über Innovationen, die physisch und technisch getrieben sein müssten und nicht über die Verbotswelten der grünen Parteien kommen sollte. Ich bin zu hundert Prozent gegen diese Verbotsprogramme und Strafsteuern. Das Bashing gegen das Fliegen muss aufhören.

Dennoch ist es wichtig, dass wir nicht einfach sagen, dass uns die Welt nichts angeht. Wir müssen unsere Vertriebsmacht ausnutzen, denn am Ende wird immer das produziert, was der Kunde will. Und wir sind nun mal ein Grosskunde der Airlines.

Man muss realistisch bleiben, dass Elektroflugzeuge oder Ähnliches nicht bereits heute oder morgen verfügbar sein werden, aber wir können schon heute darauf hinzielen und hinarbeiten, dass dies dann in 6-8 Jahren auch optimal möglich ist. Wir könnten theoretisch heute schon Reisen mit nachhaltig fliegenden Flugzeugen verkaufen.

Hier müssen wir eingreifen und zeigen, dass wir auf der Seite stehen, die die grüne Fraktion für sich beansprucht. Wir sind nicht die Bösen und wollen auch nicht die Bösen sein. Wir wollen denen sogar zeigen, dass wir es noch realistischer angehen, als sie es vielleicht machen.

Wie hat Bentour dazu bisher Stellung bezogen?

Heute spreche ich zum ersten Mal so klar und öffentlich darüber. Wir haben was die Waldbrände betrifft, die Entscheidung gefällt, dass wir aus eigener Tasche 10‘000 Bäume pflanzen und für jede weitere Buchung bis Herbst einen zusätzlichen Baum dazukommen wird. Mit Klimapolitik ist das aber heute hier unser Auftakt. Das muss ausgesprochen werden – die Zeit ist reif.

Mal abgesehen von den Waldbränden – wie sieht die Lage in der Türkei im Moment aus? Was müssen Türkei-Reisende zurzeit beachten?

Aus der Schweiz ist die Türkei einfach bereisbar. Vor allem als Geimpfter oder Genesener. Hier gibt es das Covid-Zertifikat, dass bereits in Zürich vorgelegt werden muss. In der Türkei findet dann keine weitere Kontrolle diesbezüglich mehr statt. Das gilt ab einem Alter von sechs Jahren.

Vor Ort ist alles gut organisiert. Es gibt eine Maskenpflicht in den Flugzeugen, in Transfer-Bussen und in Aufzügen. Ansonsten, auch in Restaurant, herrschen kaum Notwendigkeiten und da gibt es auch keine Maskenpflicht. Mittlerweile fühlt sich eine Türkei-Reise wieder so an wie in der Vergangenheit – auch in den Hotels.

Bei geimpften und genesenen Gästen, die aus der Türkei in die Schweiz fliegen, entfällt auch die Testpflicht. Hier hat die Schweiz noch einmal eine Besonderheit gegenüber Deutschland. Ungeimpfte Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren brauchen keinen Test für die Rückreise.

Was denken Sie, wird die Türkei die Einschränkungen im Herbst oder Winter wieder verschärfen?

Ich glaube mittlerweile geht es nicht mehr so stark um Inzidenzen. Das grosse Thema heisst Impfquoten und da ist die Türkei relativ gut aufgestellt.

Wie viel Prozent der türkischen Bevölkerung sind vollständig geimpft?

Zirka 50%. In den touristischen Regionen liegt die Quote aber sogar bei etwa 65-70%. Ausserdem wird jeden Tag weitergeimpft und es gibt überall Impfstationen. In Izmir gibt es sogar an den öffentlichen Stränden die Möglichkeit sich impfen zu lassen. Da kann jeder Türke ohne grosse Formalitäten die Chance nutzen und sich impfen lassen. Durch die hohe Impfquote sind auch kaum Hospitalisierungen notwendig. Deswegen glaube ich, dass die Gefahr nicht mehr so gross ist.

Für die zweite Jahreshälfte, sprich die Herbstferien, spricht auch dafür, dass die Saison der Russen im September endet und der Anteil der Europäer noch einmal ansteigt. So hat man dann auch unter den Reisenden noch einmal eine höhere Impfquote. Bei Schweizer, die in die Türkei reisen, haben wir eine Impfquote von 80%. Es sind nur noch etwa 20%, die getestet reisen.

Aus welchen Ländern reisen die Touristen in die Türkei?

Nummer 1 ist Russland und Ukraine mit ungefähr 45%. In Europa steht Deutschland mit 30% zuoberst. Der gesamte DACH-Raum macht ungefähr 35% der Touristen aus. Etwa 5% davon sind Schweizer.

Wie gut funktioniert das Sicherheitskonzept in der Türkei?

Das funktioniert wirklich sehr gut. Wir haben ein ganzes Massnahmenpaket. Besteck darf beispielsweise nur eingepackt überreicht werden. Das sehe ich auch in der Schweiz nicht überall. Alle Buffets sind bedient – es gibt kein Self-Service. Zudem gibt es überall Wärmebildkameras. Ich habe sogar interessante Umbauten von Aufzügen gesehen, wo man das Stockwerk auf dem Boden per Fuss drücken kann. Es gibt viele kleine Regulierungen und Massnahmen, wo es sinnvoll ist – und der Mensch weiss ja im Normalfall auch, wo es Sinn macht eine Maske anzuziehen und wo nicht.

Wie überzeugen Sie die Kundschaft in der Türkei Ferien zu machen?

Die hohe Servicequalität sehe ich als wichtigstes USP. Dies noch vor der hohen Qualität der Infrastruktur und der Gebäude.

Also die Software?

Genau, die Software. Die Software ist in der Türkei von Natur aus gegeben – im touristischen und gastfreundlichen Sinne. Die Türken sind was die Gastfreundschaft betrifft hervorragend. Für sie ist der Gast tatsächlich König. Das ist nichts Gelerntes, sondern wird bereits Kindern auf den Weg gegeben. Nirgendwo wird man so freundlich bedient wie in der Türkei.

Dazu kommt, dass die Türkei in den vergangenen Jahren sehr viel investierte: Sie haben komfortable Zimmer gebaut oder Aquaparks errichtet – fast jedes zweite Hotel in der Türkei hat ein kleines Alpamare. Sowohl die Software als auch die Hardware sprechen für eine Reise in die Türkei. Ausserdem kommt auch noch das Thema Klima hinzu. Mit drei Stunden Flug nach Antalya gibt es im Jahr über 300 Sonnentage – das spricht natürlich ebenfalls für Türkei-Ferien.

Ist denn die Türkei auch eine Winterdestination?

Teilweise. Vor allem kann der November mit vielen warmen Sonnentagen noch zum Bereich Herbstferien dazugezählt werden. Im Dezember und Januar ist es eher kühler und regnet auch öfter. Das ist es höchsten für Golfer spannend. Im März geht dann die Saison in Antalya mit den Osterferien bereits wieder los. So können wir fast neun Monate nutzen, was für die Infrastrukturnutzung einfach ideal ist.

Wie sieht denn die allgemeine Preisentwicklung aus für Herbst und das nächste Jahr?

Für die Herbstferien gibt es noch genügend Kapazitäten, insofern gibt es noch gute Preise. Die Preisentwicklung für nächstes Jahr hängt auch von den Entscheidungen der Politik ab. Falls Strafsteuern usw. eingeführt werden sollten, könnten die Preise durchaus ansteigen. Wenn das nicht der Fall ist, glaube ich nicht an viel höhere Preise. Wenn aber die Auslastung steigt, werden auch die Preise ansteigen.

Der Buchungszeitraum wird wieder wichtiger werden, ob man günstig oder eher teuer in die Ferien fliegt. Planungssicherheit ist extrem wichtig für uns. Je früher wir ein Kundenversprechen haben, dass jemand ein Sitzplatz reserviert, desto klarer und besser können wir einkaufen und planen. Daher muss es uns auch viel wert sein, dass der belohnt wird, der früh bucht. Last-Minute war schon immer eine Krankheit der Touristik gewesen.

Läuft das Herbstgeschäft?

Es wird sehr kurzfristig gebucht. Es gab bereits eine erste Buchungswelle für den Herbst. Ab September wird es dann aber noch einmal 20 gute Buchungstage geben, wo die Kapazitäten gefüllt werden. Die Flugpreise steigen aber an.

Derjenige, der sich früh entscheidet, hat den besseren Preis. Last-Minute wie es früher mal war, gibt es so nicht mehr. Der Frühbucher hat gewonnen, weil er zu einem tieferen Aktienkurs einsteigt. Das hängt im Grunde genommen an den Airlines, die ihre Plätze mit einem ‘Preistreppen-System’ anbieten. Die ersten Plätze werden günstiger angeboten. Eine Woche vor Abflug sind die Flüge dann in den meisten Fällen teurer. Es gibt auch nur noch sehr wenige Charter-Risikoflugplätze. Das wurde massiv zurückgefahren. Das habe ich auch von der Airline-Seite gehört. Das Price-Roboting ist nur noch ansteigend.

Deswegen rate ich den Kunden auch im nächsten Jahr mit einem Flex-Tarif so früh wie möglich zu buchen. Das heisst mit der Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal von der Reise aussteigen zu können. So können Kunden im nächsten Jahr bestimmt viel Geld sparen.

Wann kommt der langersehnte Türkei-Boom?

Nächstes Jahr. 2022 kommt definitiv ein touristischer Boom, der über alle Bereiche gehen wird. Der Nachholbedarf der Menschen in allen Segmenten ist riesig – auch bei der Langstrecke. Dazu sind die Regulierungen, wie man mit Corona reisen kann klar definiert.

Ein weiterer noch wichtigerer Punkt ist die Tatsache, dass es nun wieder ok ist zu reisen. Der Reisende ist nicht länger der Sündenbock. Das Einzige was meiner Meinung nach gegen einen Boom spricht, ist die Fraktion Klimawandel und Verbotsfanatiker. Wir sind wie gesagt nicht gegen den Klimawandel, aber wir wollen einen anderen Weg beschreiten und glauben nicht, dass Flugverbote oder weniger Fliegen irgendwas bringen würde.

Sind Sie sicher, dass der Boom bereits im nächsten Jahr kommt?

Sicher ist nichts, aber ich glaube daran – das ist meine persönliche Meinung. Es ist natürlich nicht 100% sicher, dass es so kommt, aber die Wahrscheinlichkeit ist extrem hoch.

Ist Bentour darauf vorbereitet?

Ja, auf jeden Fall.

Und die Türkei – mit den Hotels und ihren Kapazitäten?

Ja, auch da sehe ich keine Schwierigkeiten. Auch mit den Flugkapazitäten ist man sehr gut auf das nächste Jahr vorbereitet.

(Interview: Yannick Suter/Angelo Heuberger)