Globetrotter-Lüthi kritisiert «verfrühte Euphorie»

Der SRV-Politikchef befürchtet kontraproduktive Wirkung wegen zu viel Optimismus der drei Grossen.
André Lüthi. ©TI

In den letzten Tagen liessen Hotelplan, TUI und Kuoni verlauten, die Reisebuchungen würden erfreulich anziehen und es sähe gut aus. Ihre Chefs verkündeten Umsatzerwartungen für das laufende Jahr zwischen 45% und 75% des Vor-Corona-Volumens.

Globetrotter-Chef und -Mitbesitzer André Lüthi sieht in der Aussage der drei Grossen eine «verfrühte Euphorie», wie er in einer Medienmitteilung schreibt. Sie erwecke den Eindruck, der Reisebranche gehe es insgesamt wieder gut, was für die meisten Reisebüros und KMU eben nicht der Fall sei. «Diese Aussage ist zu wenig differenziert und mag für gewisse europäische Länder zutreffen, doch mehr nicht», schreibt Lüthi.

Er wolle dies nicht als Vorwurf an die Big Three verstanden haben, präzisiert Lüthi gegenüber TRAVEL INSIDE. Positiv denken und kommunizieren sei schon in Ordnung. Aber: «Es einfach so, dass erst ein einziger Kontinent auf dieser Welt bereisbar ist, und das heisst, dass die Reisebüros und Spezialisten-TO weiter leiden.» Dass es bei den Badeferien-Anbietern Hotelplan, Kuoni und TUI wieder besser laufe ändere daran noch nichts.

Zu viel Euphorie kann schaden

Viele Reisebüros und KMU-TO in der Schweiz, auch die Globetrotter Group, würden 2021 nochmals einen Umsatzeinbruch von 70% und mehr hinnehmen müssen. Sie sind weiterhin auf staatliche Unterstützung wie Kurzarbeit und Härtefallhilfen angewiesen. Und um diese wird in einigen Kantonen noch mit harten Bandagen gekämpft, wie TRAVEL INSIDE von Betroffenen weiss.

Da kann zu viel Euphorie durchaus kontraproduktiv sein. Manch ein kantonaler Kassenwart könnte auf Grund der Euphorie der letzten Tage den voreiligen Schluss ziehen, der Reisebranche gehe es insgesamt wieder bestens und Hilfe in Form von staatlichen Krediten oder gar A-fonds-perdu-Beiträgen seien gar nicht mehr nötig.

Die lukrativen Ferndestinationen fehlen noch

Zwar seien in Europa wieder verschiedene Länder bereisbar, räumt Lüthi ein. Das sei aber nur die Hälfte der Geschichte, die grosse weite Welt ist immer noch zu. Damit fallen die tendenziell lukrativen Ferndestinationen weg, und das Geschäft der Fernreise-Spezialisten ist bei weitem noch nicht zurück, anders als bei den grossen TO, die jetzt mit ihrem umfangreiche Badeferiengeschäft rund ums Mittelmeer wieder in die Gänge kommen.

Nord- und Südamerika, Afrika, Asien, Australien/Neuseeland – die allermeisten Länder in diesen Kontinenten lassen derzeit noch keine ausländischen Gäste einreisen – oder gewisse nur mit zwei Wochen Quarantäne. Generelle Öffnungen sind auch noch nicht absehbar. Die Ferndestinationen sind aber für viele Reisebüros und Spezialisten-TO wirtschaftlich von zentraler Bedeutung.

Lob für BAG und Berset

Wie auch in der Kultur- und Event-Branche seien deshalb auch in der Reisebranche viele Betriebe nur noch über Wasser dank Kurzarbeitszeitentschädigungen, Covid-Krediten und Härtefallgeldern, so Lüthi, der als Vorstandsmitglied des Schweizer Reise-Verbands (SRV) für die Politik zuständig ist. «Mit diesen Hilfeleistungen ist die Schweiz im weltweiten Vergleich ein Vorzeigeland», hält er fest.

Lob von Lüthi erhalten dagegen das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und Bundesrat Alain Berset für die in den letzten Wochen eingeleiteten Massnahmen zu den Quarantänebestimmungen, Risikoländerlisten und anderen Rückreisebestimmungen für Schweizer Bürger. «Das BAG macht in den letzten Wochen einen richtig guten Job – doch so lange der grösste Teil der Welt nicht bereisbar ist, müssen sich die Schweizerinnen und Schweizer weiterhin gedulden mit Fernreisen.»

Auch Tourasia-Roemer kritisiert die Big Three

Globetrotter-Lüthi ist nicht der einzige, der sich am Verhalten der Grossen in der Krise stört. «Ich kann die Grossen nicht loben, dazu stehe ich. Sie waren die ersten, welche die Krise auf dem Buckel der Mitarbeitenden austrugen. Und dies in einer Branche, in der nicht die höchsten Löhne bezahlt werden, sondern wo die Motivation der Leute zählt», sagt Tourasia-CEO und -Besitzer Stephan Roemer im Interview mit TRAVEL INSIDE.

(Christian Maurer)