So sieht eine besondere Reise in die Antarktika aus

Teil 2: Die Schiffsexpeditionen in die Antarktise sind prägende Erfahrungen. TRAVEL INSIDE war mit der neuen SH Vega (Swan Hellenic) unterwegs.
Die SH Vega in der antarktischen Eiswüste ©BE (alle Fotos)

Die SH Vega hat Antarktika erreicht. Schlag auf Schlag lassen nun Anlandungen und Zodiac-Touren die Besucher in eine grandiose Welt eintauchen – der 2 Teil einer aussergewöhnlichen Schiffsexpedition.

Nach drei Seetagen über die rumpelnde Drake Street und entlang der Westküste der Antarktischen Halbinsel, die wie ein gebirgiger Arm rund 1000 Kilometer in den Norden ragt, hat die SH Vega den südlichsten Punkt ihrer Reise erreicht.

Das Schiff umrundet Adelaide Island, fährt in die Marguerite Bay ein und steuert Stonington Island an – erste Antarktis-Eindrücke überwältigen uns.

Das Wetter ist prächtig, das Panorama mit tief verschneiten Gebirgszügen, steilen Felsflanken und sich ins Meer ergiessenden Gletscher, einem Labyrinth von Fjorden, Inseln und Landzungen und in der Bucht tümpelnden Eisberge ist grossartig. Ebenso erste Kontakte mit Pinguinen und Robben. In verlassenen Forschungsstationen liegt noch Krempel, vor der einstigen US-Station verrosten panzerartige Kettenfahrzeuge.

«Beyond the Antarctic Circle»
Bei Red Rock Ridge ©BE

Nach gut zwei Stunden zurück an Bord hat die Crew auf Deck ein Openair-Buffet aufgebaut – der Lunch in grossartiger Umgebung ist traumhaft, gemächlich zieht die SH Vega über den Neny Fjord Richtung Red Rock Ridge weiter. Am Nachmittag ist eine Zodiac-Tour entlang der Küste des imposanten Berges angesagt, und auch die Kajaks kommen zum Einsatz.

Grosse Adélie-Pinguin-Kolonien an den Abhängen und Robben, die sich an Land zanken oder auf Eisschollen in der Sonne aalen, krönen die Ausfahrt. «Hier trifft man vor allem Krabbenfresser- und Weddel-Robben, ab und zu auch den räuberischen Seeleoparden», weist uns Guide Conrad auf unterschiedliche Merkmale hin.

Das herrliche Wetter hält am nächsten Tag an: Die vulkanische Horseshoe-Insel wartet mit einer weiteren verlassenen Station auf, in Schneeresten tummeln sich einzelne Pinguine und Robben und von Anhöhen aus bietet sich ein grandioser Blick über die mit Eisbergen gesprenkelte Bucht auf die hohen Gebirgszüge gegenüber.

In der Dalgleish Bay ankert die SH Vega vor der Pourquoi-Pas-Insel: Hier erwartet uns am Lainez Point eine riesige Robben-Kolonie: Die über 200 Tiere lassen sich durch die Besucher nicht stören und ignorieren unberührt das endlose Klicken der Kameras. Am Abend verlässt die SH Vega die Ziele südlich von Adelaide Island und steuert durch den schmalen Gullet-Kanal nordwärts. Auf der Brücke beobachten die Gäste, wie Kapitän Obrist das Schiff in der fahlen Dämmerung vorsichtig um Eisberge und entlang steil abfallender Hände in die Enge manövriert.

Das unkomplizierte Bordleben
Barman Francis ©BE

Inzwischen hat sich der Rhythmus einer vormittäglichen und einer nachmittäglichen Anlandung oder Zodiac-Ausfahrt eingependelt. Zur Erholung lockt gegen Abend an Bord der warme Infinity-Pool oder der Jacuzzi, dann ruft Expeditionsleiter Antony bereits zum täglichen Briefing in der Lounge ein. Er lässt die Höhepunkte des Tages Revue passieren und gibt einen Ausblick auf den nächsten Tag.

Das Nachtessen im weiss aufgedeckten Restaurant wird von Restaurant-Manager Renato und seinem sehr zuvorkommendem Team A-la-Carte serviert. Das Buffet am Morgen ist vielseitig und steht am Mittag oft unter einem abwechslungsreichen Motto. Kleine Snacks werden zudem in der hübschen Club-Lounge bereitgestellt.

Der Tag klingt jeweils abends in der Bar zu Piano-Klängen aus, Shows und Spektakel haben hier keinen Platz. Gekonnt mixt Barman Francis seine Cocktails, und die internationale, altersmässig durchmischte Gästeschar tauscht die Erlebnisse des Tages aus. Darunter sind auch jüngere Weltenbummler, die in Ushuaia kurz entschlossen ein Last-Minute-Angebot ergatterten. Lange dauern die Abende selten.

Die Invasion der Robben

Die SH Vega hat den Südlichen Polarkreis wieder nordwärts überquert und liegt vor Fish Island. Der Himmel ist bedeckt, die Stimmung mystisch. In einer von Eisschollen übersäten Bucht hat Antony den Motor des Zodiacs abgestellt, niemand spricht, nur das leise Plätschern der Wellen an den Schollen und ab und zu das ferne Donnern eines Eissturzes ist zu hören.

Besuch der Robben ©BE

Da – plötzlich setzt sich unweit entfernt das Wasser in Bewegung: Ungläubig beobachten wir, wie eine Vielzahl von Robben auf uns zu schwimmt. Köpfe und Leiber tauchen auf und unter, der Schwarm erreicht das Zodiac und umrundet es. In nächster Nähe heben die Tiere ihre Köpfe aus dem Wasser, mustern uns mit ihren Knopfaugen und ziehen plötzlich weiter. Wir sind sprachlos, und auch Guide Antony staunt: «Das habe ich noch nie erlebt! Das waren bestimmt 40 bis 50 Tiere!».

Am Nachmittag betreten wir bei Prospect Point erstmals den antarktischen Kontinent – bisher landeten wir stets auf vorgelagerten Inseln an. Über ein Schneefeld geht es zu den Fundamenten einer einstigen Forschungsstation, nebenan stürzt sich ein riesiger Gletscherabbruch in die dunkle, von Schollen und Eisbergen übersäte Bucht.

Das Wetter verdüstert sich zunehmend, tiefe Wolken verhängen die Berge. In der Beascochea Bay und am Cape Perez bahnen sich die Zodiacs in einem Eismeer den Weg entlang skurriler Eisberge und durchs Wassereis. Vorsichtig schlängelt sich die SH Vega wieder aus der Bucht, umschifft Schollen mit ruhenden Robben, im Wasser suchen Pinguine wie Delphine hüpfend das Weite. Es beginnt leicht zu schneien, und am Abend erleben die Gäste auf der Brücke die Durchfahrt durch den von bedrohlich nahen und vergletscherten Bergflanken gesäumten Lemaire-Kanal.

Wale, Pinguine und Shopping
Fütterung der Jungmannschaft ©BE

In der Paradise Bay ist Whale-Watching angesagt. «In die Weite gucken und auf den Blas horchen», empfahl uns Carine zuvor. Tatsächlich: In einiger Entfernung zeigen Buckelwale ihre Finnen und Rücken. Vorsichtig nähern sich die Zodiacs, da taucht plötzlich in unmittelbarer Nähe ein riesiger Säuger auf, taucht sofort wieder ab und schwingt dabei die Fluke – ein majestätischer Anblick. Noch in der Bucht wird die erfolgreiche Wal-Beobachtung mit einem Glas Champagner gefeiert.

Eine grosse Esels-Pinguin-Kolonie erwartet uns bei Port Lockroy, die sich von den Eindringlingen aber nicht stören lässt. Die herrlichen Vögel watscheln umher, ernähren die Jungmannschaft und werfen höchstens mal einen neugierigen auf die Besucher, die das Geschehen mit gebührendem Abstand beobachten.

Die Kuriosität auf der kleinen Insel nebenan ist berühmt: In den Räumlichkeiten einer einstigen Forschungsstation ist saisonal das südlichste Post-Office der Welt eingerichtet, die Station selber präsentiert sich als stimmungsvolles Museum. «Heute ist Shopping angesagt», lacht Guide Antony. Das Absenden einer Postkarte aus der Antarktis oder der Kauf eines kleinen Souvenirs lässt sich niemand entgehen.

Überbordender Tourismus?
In Ushuaia ©BE

Port Lockroy war die letzte Station unserer Fahrt entlang der Antarktischen Halbinsel, bevor es weiter nördlich Richtung Südliche Shetlandinseln geht. Fast alle Schiffe, die die Antarktis besuchen, kreuzen entlang der Westküste der Halbinsel. Hier gibt es im Gegensatz zur Ostküste kaum Eisschelf und die Küste ist mit ihrer Tierwelt, den Gebirgszügen, Meeresengen und historischen Stationen äusserst attraktiv.

«Alle Schiffe sprechen über ein System ihre Anlandungsstellen ab, so dass selten bis nie zwei Schiffe gleichzeitig vor Ort sind», erklärt Kapitän Obrist. Bis 20 Schiffe sind in der Hochsaison wöchentlich auf Antarktis-Kurs, 2019/20 zählte man total rund 75’000 Besucher, während Corona waren es massiv weniger.

«Die Zahl der Schiffe in der Antarktis ist nicht reguliert, aber die geltenden Vorschriften sind strikt und wirken limitierend», sagt Obrist. So darf unter anderem kein Schweröl mitgeführt werden. Zudem ist das bereiste Gebiet riesig, trotzdem sorgt der Expeditions-Tourismus da und dort für Kritik. Ein Thema ist auch die Klimaentwicklung, die das Eisschelf schrumpfen lässt. Auf der SH Vega wurde dieser Aspekt leider in keinem der Vorträge aufgegriffen.

Die letzten Besuche
See-Elefanten ©BE

Die letzten Stationen unserer Reise liegen auf den Südlichen Shetlandinseln. In der weiten Walker Bay auf Livingston Island räkelt sich eine Herde See-Elefanten, zu der es einen angemessenen Abstand einzuhalten gilt. Grunzend und zankend drängen sie sich Leib an Leib, am Strand liegt das Skelett eines Wals.

Nochmals anders die Anmutung nach der Überfahrt auf Deception Island. Die schmale Einfahrt zwischen schroffen, von Wolken verhängten Felsen in das Vulkan-Becken ist abenteuerlich, an der Telefon Bay beginnt es zu schneien. Der Hike über schwarze Hügel bietet einen beeindruckenden Ausblick über diese seltsame Welt.

Die Rückreise durch die Drake Passage, die nun nur noch zwei Tage dauert, ist einiges angenehmer als die Hinfahrt. Im Beagle Channel lacht die Sonne, der letzte Abend zurück in Ushuaia wird für einmal lang. Die Gäste, noch erschlagen von den Eindrücken der letzten Tage, haben sich viel zu erzählen. Dies wird zurück zu Hause nicht anders sein – nun weiss man es auch persönlich: Eine Antarktis-Reise bleibt ohne Zweifel lange, sehr lange haften.

Beat Eichenberger


Die antarktischen Höhepunkte dieser aussergewöhnlichen Reise Teil 1 hier bei TRAVEL INSIDE Online.