Strömen jetzt die Banker ins Reisebüro?

Nach CS-Aus könnten viele gut ausgebildete Fachkräfte auf den Arbeitsmarkt kommen.
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Das Aus der Grossbank CS wird wahrscheinlich Tausende von Stellen in der Schweiz kosten. Viele CS-Angestellte könnten ihren Job verlieren, wenn die UBS die Geschäfte der CS bei sich integriert oder extern abwickelt. Werden dann dereinst arbeitslose Banker*innen bei den Reisebüros und TO anheuern, wo grosser Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften herrscht?

Möglich wäre es. Arbeiten im Reisebüro oder bei einem Reiseveranstalter gilt immer noch als attraktiv. Es ist ja auch befriedigender, seinem Kunden die schönsten Wochen des Jahres zu verkaufen als ihm die kniffligen Details eines strukturierten Anlageprodukts und später wo möglich den Verlust daraus zu erklären.

Der Duft der grossen weiten Welt – er ist noch da. Schon beruflich kommen Reiseprofis weit herum, absolvieren Studienreisen und Fam-Trips an den schönsten und spannendsten Orten rund um den Globus. Und auch privat oder halbprivat können sie oft von guten Angeboten in Hotels oder Reedereien profitieren, von denen auch gewiefte Schnäppchenjäger ausserhalb der Reisebranche nur träumen können.

Arbeiten zum halben Lohn

Für einen Job in der Reisebranche müssten Banker*innen allerdings massive Abstriche beim Lohn machen. Der Medianlohn (die eine Hälfte der Beschäftigten bekommt mehr, die andere Hälfte weniger) eines Reiseprofis ohne Kaderfunktion lag im Jahr 2020 laut dem Bundesamt für Statistik bei CHF 5464 pro Monat – bei der Bank flossen CHF 7144 auf das Gehaltskonto der Mitarbeitenden ohne Kaderfunktion. Der Unterschied von CHF 1680 jeden Monat ist somit schmerzlich spürbar.

Noch schmerzhafter wäre es für Banker*innen, die Karriere gemacht haben und nun in die Reisebranche wechseln wollten. Hier macht die Reiseindustrie ihrem Ruf als Tieflohnbranche alle Ehre. Ab dem Mittleren Management liegt der Medianlohn im Finanzwesen mit CHF 14’973 fast doppelt so hoch wie in der Reisebranche mit CHF 7870. Aber auch schon auf den tieferen Karrierestufen sind die Unterschiede beträchtlich: CHF 4384 im unteren und CHF 2852 im untersten Management.

Andere Argumente als Geld

Die finanziellen Hürden für einen Wechsel von der Bank sind gross. Zu überwinden sind sie für die Unternehmen in der Reisebranche realistischerweise nicht – auch wenn ein gewisser Aufholbedarf bei den Löhnen mittlerweilen erkannt ist, er wird das Lohngefälle nicht einebnen. Und mit der Umsetzung harzt es doch vielerorts noch.

Wenn die Reisebranche, Reisebüros und TO, aber auch Leistungsträger in der Beherbergung oder im Transport, also von der zu befürchtenden Masse unfreiwillig auf den Markt kommender Fachkräften profitieren wollen, müssen sie sich anstrengen und sich andere Argumente als das liebe Geld einfallen lassen, warum ein Job in der Reisebranche ein gute Option für einen Neuanfang ist. Darüber nachzudenken lohnt sich auf jeden Fall.

Christian Maurer