Christian Kiser: «Wir haben nach wie vor Streitfälle mit Airlines»

Christian Kiser, neuer Leiter des SRV-Fachgremums Flug, über seine Motivation, schwarze Schafe unter den Airlines und was die Retailer von ihm erwarten können.
Christian Kiser ist neuer Director Flight Management bei Hotelplan Suisse.

Christian Kiser, seit zwei Monaten sind sie Leiter des Fachgremiums Flug beim SRV. Was motivierte Sie zu diesem Amt?

Zuerst einmal: Marcel Herter, mein Vorgänger, hinterlässt grosse Fussstapfen. Mich persönlich reizt, dass ich mich für die Branche  engagieren kann.

Welche sind jetzt Ihre grössten Baustellen?

Stand heute haben wir als grösstes Problem die Corona-Krise und das Verhalten einiger Airlines. Es sind nicht viele, aber doch einige, die ihren Verpflichtungen nicht oder nur zum Teil nachkommen. Das ist ein Problem für die ganze Branche. Alle Reiseveranstalter, die Pauschalpakete verkaufen, sind verpflichtet, das Geld den Kunden zurückzugeben, auch wenn von der Airline noch kein Geld zurückgekommen ist.

Was sehen Sie da als grösstes Problem?

In den Reisebüros wird viel Micro Tour Operating  betrieben. Da höre ich oft, dass Kunden den Reisebüros, die das Geld nicht zurückzahlen können, so richtig die Hölle heiss machen. Das wirft ein enorm schlechtes Licht auf unsere ganze  Branche. Aus Kundensicht geht das eben gar nicht, dass man sein Geld nicht rasch zurückbekommt, wenn die Reise nicht stattfindet.

Und was ärgert Sie selber am meisten?

Für die Airlines ist es natürlich einfach – und wir haben eine sehr schlechte Handhabe dagegen. Einige Airlines haben die automatische Refund-Funktion im BSP vor einem Jahr deaktiviert, das verfolgt uns bis heute. Wir haben nach wie vor Streitfälle.

Gibt es noch immer offene Fälle, bei denen keine Rückerstattung erfolgte?

Ja, die gibt es noch.

Auch bei LH-Gruppen-Airlines?

Ich nenne keine Namen.

Warum geht das so lange?

Wir streiten über diverse Sachen. Die Airlines haben ihre Policies im Markt, die klare Vorgaben sind, wie etwas abgewickelt werden muss. Jetzt erhalten viele Reiseveranstalter Nachbelastungen auf Grund von Policy-Verletzungen, bei denen schlussendlich darüber gestritten wird, ob das jetzt wirklich eine Policy-Verletzung war oder nicht. Der Punkt ist, und das hält Veranstalter und Broker in Atem: Es gibt nichts anstrengenderes als mit Airlines zu streiten.

Und was tut der Verband, bzw. das Fachgremium?

Der Verband hat bereits im vergangenen Jahr eine Anzahl von Massnahmen und Aktivitäten eingeleitet. Unter anderem die Airlines aufgefordert, uns mitzuteilen wie und bis wann sie gedenken, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Diejenigen, die es nicht für notwendig befunden haben, zu antworten, wurden der IATA und der BAR (Board of Airline Representatives) gemeldet. Sie haben den SRV mit zusätzlichen Schreiben und Aufforderungen unterstützt.

Im März haben wir erneut einen Brief an jene Airlines versandt, die uns die grössten Bauchschmerzen bereiteten. Mitunterzeichnet haben alle CEOs der grössten Veranstalter und damit Kunden um dem Schreiben mehr Gewicht zu verleihen. Die Tourismus Organisationen der jeweiligen Länder der säumigen Airlines erhielten ebenfalls eine Kopie. Mit dem Hinweis, dass man sich nach der Krise daran erinnern werde, wer sich korrekt verhalten hat und wer nicht. Auch mit dem BAZL waren wir mehrmals im Austausch und haben Sanktionen gefordert. Leider gibt es keine juristische Handhabe, gegen diese Airlines vorzugehen.

Was ist aus der Idee geworden, den Airlines die wegen Corona geleistete Mehrarbeit der Reisebüros und Veranstalter in Rechnung zu stellen?

Das gehört nicht zu meinen Themen, weil wir keine Verbandsangelegenheit daraus gemacht haben. In guten Zeiten sind Airlines und Reisebüros Partner, die aufeinander angewiesen sind. Und man sollte immer daran denken, dass die guten Zeiten wieder kommen. Wenn man dann zu viel Geschirr zerschlagen hat, hilft das niemandem. Es ist eine Gratwanderung.

Sind denn auch die derzeit als flexibel angepriesenen Storno- und Umbuchungsbedingungen der Airlines gar nicht so gut wie die Airlines glauben machen?

Es ist vielleicht gut gemeint. Aber bei einem Setup, bei dem viel automatisiert ist, kann man nicht einfach umstellen. Wenn ich als Reisebüro einen Tarif mit Flexibilität suchen will, geht das manuell, aber es ist aufwändig. Wenn ich aber ein grosser Veranstalter bin, der Pakete generiert aus Flügen und Hotels und Transfers, dann muss ich die Flexibilität steuern können, aber  die  Technologie ist schlicht nicht dafür gemacht. Da muss man das Gespräch suchen. Das ist allerdings weniger ein Thema des Fachgremiums.

Müsste man gerade in der heutigen Situation eine Positiv- oder Negativliste der Airlines führen und die schwarzen Schafe benennen? Das würde doch vor allem den Reisebüros helfen, die für ihre Kunden faktisch Micro Tour Operating machen müssen.

Mir wäre eine Positivliste sympathischer. Daraus lässt sich ja bis zu einem gewissen Grad auch auf die anderen schliessen.

Das würde also den kleinen Retailern reichen?

Ja, ich denke schon. Dazu muss ich sagen, wir haben in unserer Gruppe diskutiert, dass in das Gremium eigentlich auch ein Vertreter oder eine Vertreterin von einem kleinen Reisebüro mit vier oder fünf Mitarbeitenden gehört. Jetzt sind alle grossen Veranstalter darin vertreten. Einstimmig haben wir beschlossen, jetzt eine Retailer-Vertretung zu suchen, zusätzlich zu den bisherigen Mitgliedern. Die Gespräche mit möglichen Kandidaten und Kandidatinnen laufen und wir hoffen, dass wir bald einen Namen nennen können.

Haben die kleineren Retailer eine andere Sicht der Dinge, oder andere Probleme?

Beides. Gerade wenn sie Micro Tour Operating  betreiben und mit ihrer begrenzten Liquidität in Verlegenheit geraten könnten, wenn sie ihren Kunden Rückerstattungen machen müssen, für die sie selber von der Airline noch nichts zurückerhalten haben, dann ist das ein Problem. Und was die Sichtweise betrifft, hören wir auch den Vorwurf, der SRV kümmere sich nur um die Anliegen der Grossen. Was zwar nicht stichhaltig ist, denn die SRV-Mitglieder, grosse und kleine, arbeiten alle in der gleichen Branche und wir bemühen uns, dass alle ihre Interessen vertreten können.

Was erwarten Sie konkret von einer Retailer-Vertretung in Ihrem Fachgremium?

Ein Anliegen könnte durchaus etwas sein wie die erwähnte Positivliste. Für einen Retailer ist ein solches Rating viel wichtiger als für einen grossen Veranstalter, dem es eher um die Konditionen geht. Zudem weiss der grosse Veranstalter aufgrund seiner Volumen, wer auf der positiven Seite der Skala steht.

Und wo haben die grossen Veranstalter andere Probleme und Sichtweisen als die kleinen Retailer?

Ein Thema sind zum Beispiel die Kosten für einen neuen BSP-Link, den alle irgendwann nutzen müssen. Sie sind viel höher als die vom bisherigen Zugang, weil wegen der neuen 3D-Authentifizierung mehr  Zugänge nötig sein werden, was mehr Logins bedeutet und mehr kostet. Bei kleineren Reisebüros, habe ich mir sagen lassen, fällt das nicht so ins Gewicht. Bei den Ticketshops der grossen Veranstaltern hingegen schon, weil viel mehr Personen Zugang brauchen und entsprechende Logins haben müssen.

(Interview: Christian Maurer)


Lesen Sie in der aktuellen Print-Ausgabe von TRAVEL INSIDE, was Christian Kiser in Sachen Kundengeldabsicherung bei den Airlines vorschlägt, was er von Airline-Bashing hält und wie er das Verhältnis zwischen Airlines und Reisebüros sieht.