SRV-GV: «Eine sanfte (R)Evolution»

INSIDER-KOLUMNE von Kurt Eberhard. Der als «Travel Personality of the Year 2016» gekürte Reiseprofi kommentiert im TRAVEL INSIDE aktuelle Themen.
Kurt Eberhard

«Die SRV-GV 2020 ist Geschichte. Dem aussenstehenden Betrachter fallen zwei Dinge auf.

  • Erstens: Überraschungen gab es keine. Einzig die, trotz erstmaliger Möglichkeit der brieflichen Stimmabgabe, weiterhin tiefe Wahl- und Stimmbeteiligung enttäuscht. An was mag das gelegen haben? War es eine allgemeine Apathie, auf Grund der für alle zermürbenden Corona-Verhältnisse? Oder manifestierte sich mit der Teilnahmeabstinenz schlicht ein Desinteresse am Verband? Schwierig zu sagen aber die tiefe Beteiligung müsste dem Vorstand zu denken geben. Was braucht es, um die Mitglieder aus ihrer Passivität zu holen und zu einer aktiveren Beteiligung zu bewegen?
  • Zweitens: Die Zusammensetzung des Vorstands wurde deutlich verändert. Einerseits nehmen nun mehr Frauen Einsitz im Gremium. Sie sind zwar im Verhältnis zu ihren männlichen Kollegen immer noch massiv untervertreten aber es geht in die richtige, längst überfällige Richtung. Dass es dabei die relativ neue Bewegung «Aktion Mayday» geschafft hat, mit der Person von Birgit Sleegers eine eigene Kandidatin in den Vorstand zu hieven, ist bemerkenswert.

Die unabhängigen Retailer gewinnen etwas mehr Einfluss und weiterhin sind die grossen Unternehmen im Vorstand vertreten. Letztere sind zwar rein rechnerisch übervertreten aber es ist sicher nicht völlig abwegig, sie am Tisch zu haben, wenn es um die künftige Gestaltung der Branche geht. Zudem wurde der Vorstand leicht verjüngt. In einer Branche mit so vielen jungen Leuten schadet das sicher nicht. Diese Verjüngungskur ist wohl erst der Anfang. Es scheint, dass ein eigentlicher Generationenwechsel in Gang gesetzt wurde.

Einige der bisherigen Vorstandsmitglieder sind nicht mehr allzu weit vom Pensionsalter entfernt oder haben dieses bereits überschritten. Seniorenbashing ist natürlich fehl am Platz. Erfahrung im Leben und Beruf hat noch nie geschadet. Trotzdem, diese älteren Vorstandsmitglieder werden früher oder später nicht mehr zur Wahl antreten wollen oder dürfen. Letzteres wurde scheinbar dem ausgeschiedenen David Léchot zum Verhängnis.

Nicht wegen seines noch eher jugendlichen Alters! Man hört, dass er nach zwölf Vorstandsjahre sanft dazu überredet wurde, einem neuen Gesicht Platz zu machen. Es gibt zwar in den Statuten keine Amtszeitbeschränkung aber wenn man sie bei den einen trotzdem anwendet, dann müsste sie folgerichtig für alle gelten. Dass das neue Vorstandsgesicht in der Person von Jacqueline Ulrich, einer weitherum bekannten und kompetenten Unternehmerin aus Fribourg  daherkommt, hat den Wechsel wohl vereinfacht und diente erst noch der Frauenquote.

Eine Revolution sieht natürlich anders aus. Allerdings wäre ein allzu radikaler Umbau des SRV gerade in dieser schwierigen Zeit auch nicht zielführend. Es braucht einen Verband, der funktioniert und die Zukunft entschlossen angeht. Insofern kann man die Beschlüsse und Wahlen der GV als Gang in die richtige Richtung oder eben als Auftakt zu einer sanfte Evolution deuten. Die neuen und alten Vorstandsmitglieder bringen allesamt Voraussetzungen mit, um wichtige Veränderungsprozesse voranzutreiben.

Der Vorstand hat als Reaktion auf einen von einem Aktivmitglied eingereichten Antrag – dieser Antrag wurde nachträglich zugunsten eines Gegenvorschlages des Vorstandes wieder zurückgezogen – die Bildung einer Arbeitsgruppe beschlossen. Diese soll sich u.a. mit der Zukunft des SRV, der Möglichkeit von engeren Kooperationen mit weitern Verbänden (Stichwort Dachverband) oder z.B. der Frage, ob ein Bundesparlamentarier im Vorstand das politische Lobbying massgeblich verbessern könnte, auseinandersetzen.

Alles wichtige Fragen, die es nebst der wohl wichtigsten Frage, nämlich, wie man dem wohl unvermeidbaren, weiteren Mitgliederschwund begegnen will, in naher Zukunft zu beantworten gilt.

Es wurde an der GV vom Vorstand auch mehrfach auf die Verdienste am Erreichten in der Krise und die angeblich ungerechtfertigte und undifferenzierte Kritik hingewiesen. Das ist nachvollziehbar, hat sich doch der SRV massgeblich in Zusammenarbeit mit der Taskforce engagiert. Insofern ist die Kritik an der Kritik und etwas Eigenlob nicht ganz ungerechtfertigt.»

(Kurt Eberhard)