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Micha Gross, Tel Aviv ist als «Weisse Stadt» seit 2003 auf der UNESCO Welterbeliste. Was macht die Mittelmeerstadt so speziell?
Mit über 4000 Häusern ist Tel Aviv weltweit der Vorzeigeplatz für Bauhaus- Architektur. Besonders schöne Beispiele dafür sind der Dizengoff- Platz oder der Rothschild-Boulevard. Bauhaus ist ja eigentlich eine Schule, die Walter Gropius 1919 in Weimar gründete. 1933 wurde diese von den Nazis verboten. Die Bewegung wurde dann in Tel Aviv weiterentwickelt. Die damals komplett neue Architektur passte man den klimatischen Verhältnissen an, etwa mit kleinen Fenstern, Balkonen sowie Öffnungen Richtung Westen und Osten, um so von der Meeresbrise zu profitieren.
Sie sind 1994 nach Tel Aviv ausgewandert und haben zusammen mit Ihrer Frau und einem Partner das Bauhaus Center gegründet. Weshalb?
Als unsere Tochter auf die Welt kam, suchten meine Frau, eine Geografin und Reiseführerin, und ich nach einem Thema für Tel Aviv und sind auf Bauhaus gekommen. Wir starteten in einem kleinen Büro. Anfangs interessierten sich nur Einheimische für unsere Touren.
Wie hat sich Tel Aviv in den letzten 25 Jahren verändert?
Sehr stark. Als ich hierherzügelte, war Tel Aviv eine vernachlässigte Mittelmeermetropole mit verschla-fenen Bauhaus-Gebäuden. Heute ist es eine Hightechkapitale mit Wolkenkratzern, Penthouse-Appartements, einem Bauboom und pulsierendem Leben. Die Bauhaus-Gebäude werden sukzessive renoviert. Wer ein Hochhaus bauen möchte, muss diese Renovationen finanziell unterstützen.
Welche Aktivitäten sind für den 100. Geburtstag der Baubewegung geplant?
Insbesondere in Deutschland, wo die Bewegung entstand, wird es zahlreiche Events zum Thema geben. Wir haben eine spezielle Wanderausstellung zum Geburtstag konzipiert und stellen dabei die beiden Architekten Josef Rings und Erich Mendelsohn in den Mittelpunkt, die nach Palästina ins Exil flüchteten. Begleitend zur Ausstellung, haben wir das Buch «Neues Bauen in Deutschland und Israel (Palästina): Josef Rings und Erich Mendelsohn» herausgegeben.
Wie sieht Ihr Alltag aus?
Auf dem Weg zur Arbeit lege ich einen Stopp in einer Bäckerei ein und geniesse einen starken Cappuccino und ein Gipfeli. Meine Frau und ich sind im Bauhaus Center für alles verantwortlich, was gerade ansteht: Das sind die Bauhaus-Führungen, unsere Galerie mit Wechselausstellungen, den Laden mit israelischem Design und den eigenen Buchverlag. Manchmal schreibe ich auch Fachartikel zum Thema. Am Schabbat gehen wir gerne wandern.
Insider-Tipp
Micha Gross (59) war im Jahr 2000 Mitgründer des Bauhaus-Centers. Geführte Bauhaus-Touren finden freitags um 10 Uhr vom Bauhaus Center an der Dizengoff-Strasse 77 statt. Sie dauern zwei Stunden. Für Gruppen bis 30 Personen kosten Touren unter der Woche umgerechnet 290 Franken, am Wochenende 334 Franken. Im Bauhaus Center sind auch Stadtpläne erhältlich, auf denen sämtliche Bauhaus-Gebäude sowie die trendigen Viertel speziell gekennzeichnet sind.
Weitere Informationen:
www.bauhaus-center.com
facebook.com/bauhaus.center
Was sollte ein Tourist in Tel Aviv unbedingt sehen?
Selbstverständlich sollte er an einer Bauhaus-Tour teilnehmen! Ein Besucher muss sich auf ein 24-Stunden- Programm vorbereiten. Er sollte also die Stadt nicht nur am Tag entdecken, sondern auch in der Nacht. Das Nachtleben ist unglaublich lebendig, die Clubszene legendär. Von der Vielfalt her ist der Levinsky-Markt einmalig. Dank Einwanderern aus Griechenland, Bulgarien, Türkei und dem Iran entstanden, gibt es dort Nüsse, Datteln, Tee und für jede Krankheit ein Gewürz – sogar gegen Liebeskummer. Ebenfalls entdecken sollte man das arabisch geprägte Jaffa, das genauso einen Bauboom erlebt, den Strand und seine Promenade, das aufstrebende Sarona-Viertel mit dem gleichnamigen Markt, den Yarkon-Park zum Joggen oder Rudern. Er erinnert mich etwas an den Central Park von New York.
Welche Viertel sind sonst noch aufstrebend?
Wegen der hohen Immobilienpreise – sie sind teilweise höher als in der Stadt Zürich – entwickelt sich die Stadt Richtung Osten und Süden. Neve Zedek, das in allen Reiseführern steht, ist nett. Florentin südlich davon sowie die Stadtteile Shapira und Hatikva im Osten sind jedoch viel authentischer. Hatikva ist ein Quartier, wo früher jemenitische Juden gewohnt haben. Es gibt dort ebenfalls einen Markt aus den 1930er-Jahren und Restaurants, die irakische und jemenitische Spezialitäten auf der Karte führen.
Welches sind Ihre Lieblingslokale?
Die Brasserie MR am Rabin-Platz ist ein super französisches Restaurant. Julie heisst ein kleines ägyptisches Beizli am bekannten Carmel-Markt, den viele Touristen und Einheimische besuchen. Die Chefin, die Französisch spricht, kocht ihre Gerichte jeden Morgen frisch.
ASK THE LOCALS!
Gil Hovav (56) Buchautor und Fernsehmoderator, Tel Aviv
«Zu meinen liebsten Orten in Tel Aviv zählt das Rubin-Museum, das dem Leben und den Bildern von Reuven Rubin gewidmet ist. Das Museum befindet sich im letzten Wohnort des 1974 verstorbenen Künstlers und ist eine der schönsten Adressen der Stadt: die Bialik-Strasse, gleich neben dem berühmten Bialik-Haus. Hier findet man eine interessante Ausstellung über die späten Werke des Meisters und sieht sein Studio – eine Oase der Ruhe im hektischen Tel Aviv oder ein Höhepunkt am Ende einer Bauhaus-Tour der nahgelegenen Rothschild-Avenue.»